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Herzblut, langer Atem und viele helfende Hände

Lesezeit: 5 Minuten
Das Bild zeigt Kinder, die an einem Trampolin bauen.
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Es gibt eine Zeit vor und eine Zeit nach Corona – dieser Satz gilt für Schulen, aber auch für außerschulische Bildungsinitiativen wie „Actiontouren - leben.lernen.“. Der Berliner Verein organisiert Freizeitveranstaltungen für Kinder und Jugendliche.

Klassen- und Ferienfahrten mit Erlebnispädagogik kombinieren, dieses Ziel hat sich „Actiontouren – leben.lernen. e.V.“ seit seiner Gründung im Jahr 2008 auf die Fahnen geschrieben. Der Verein, der von den drei evangelischen Kirchengemeinden Daniel, Grunewald und Linde aus Berlin als seinen ideellen Trägern begleitet wird, arbeitet dabei stets gemeinnützig. Damals wie heute sind die Macher von „Actiontouren“ zu 100 Prozent von Spenden und Fördergeldern abhängig. Die machten es möglich, dass 2022 sämtliche Angebote den Teilnehmenden kostenlos zur Verfügung standen.

Den entscheidenden Impuls erhielt der Verein im Jahr 2010. „Damals ergriffen die Initiatoren die einmalige Gelegenheit, in Welzin, einem kleinen Dorf in Mecklenburg-Vorpommern im Landkreis Ludwigslust-Parchim, ein über zwei Hektar großes verwildertes Grundstück mit einem alten, jahrzehntelang nicht mehr genutzten Gutshaus zu pachten“, schildert Barbara Costanzo, die ehrenamtlich für den Verein arbeitet. Seitdem verwandelt sich die in die Jahre gekommene Immobilie Schritt für Schritt zum idealen Standort, der künftig als Gruppenunterkunft für Kinder, Jugendliche und Familien dienen soll. Das Besondere daran ist, dass die jungen Besucher intensiv in die Sanierungsarbeiten mit eingebunden sind. Gemeinsam mit Fachkräften aus dem Handwerk und den Ehrenamtlern packen sie überall mit an: beim Bau einer neuen Terrasse, der Sanierung der Räume, dem Einbau einer Küche und und und ...
 

Mit den eigenen Händen etwas schaffen

„Wir wollen den teilnehmenden Kids die Chance geben, hautnah zu erfahren, wie es sich anfühlt, etwas von langer Lebensdauer mit den eigenen Händen zu erschaffen und dabei im Team zu arbeiten“, macht Barbara Costanzo deutlich. Und das mit beachtlichem Erfolg: Seit dem Projektstart haben insgesamt rund 150 Kinder und Jugendliche pro Jahr im Alter zwischen 8 und 18 das vielfältige Angebot genutzt. Meist kamen die jungen Teilnehmer aus der rund 180 Kilometer entfernten Hauptstadt Berlin.

Um nach Corona auch für die Kids vor Ort in Mecklenburg-Vorpommern passende Freizeitangebote zu entwickeln, nutzte der Verein das Corona-Aufholprogramm der Bundesregierung. So bestand für „Actiontouren“ die Möglichkeit, Kindern und Jugendlichen relativ schnell Angebote zu machen, mit denen sie Versäumtes nachholen oder einfach soziale Kontakte knüpfen konnten. „Sobald wir grünes Licht für die beantragten Mittel erhielten, konnten wir gemeinsam mit unseren Partnern neue Programminhalte entwickeln“, schildert Ehrenamtlerin Costanzo. Bei den Partnern handelt es sich durchweg um ausgewiesene Fachleute: So betreibt beispielsweise Lukas Fleischmann, der in Welzin einen Podcast-Workshop angeboten hat, eine eigene Podcastfirma; die Künstlerin und Videoexpertin Charlotte Grief veranstaltet auch in ihrem sonstigen Berufsleben regelmäßig Workshops in Schulen sowie für besondere Gruppen, wie etwa für Jugendliche mit Fluchthintergrund. Zusätzlich zur Fachexpertise haben die ausgewählten Trainerinnen und Trainer ihre jahrelange pädagogische Erfahrung mit eingebracht. Dies zahlte sich vor allem bei der flexiblen Planung und Ausgestaltung der Freizeitangebote aus, denn die sollten – je nach Interesse der Kinder und Jugendlichen – sowohl als Wochen- als auch als Tagesworkshops funktionieren.
 

Bürokratische Hürden genommen

„Obwohl die Beantragung der Mittel sich als vergleichsweise unkompliziert herausstellte, hätte die lange Zeit bis zur Genehmigung leicht zum Problem werden können“, erläutert Barbara Costanzo. „Schließlich mussten wir nach der Entwicklung unseres Programms auch noch kräftig die Werbetrommel bei den Eltern rühren.“ Die Sorge erwies sich letztlich als unbegründet: Insgesamt machten pro Tag zwischen 15 und 25 Kinder und Jugendliche, die in dieser strukturschwachen Region nicht gerade mit einem üppigen Freizeitangebot verwöhnt werden, reichlich Gebrauch von den Freizeit-Workshops. Das Spektrum reichte von Musik (Teil einer Band sein) über sportliche Angebote (wie Bogenschießen oder ein Fußballcamp) und selbst gebaute Objekte (wie Raketen, Pfeile und Bögen, einer Spaßorgel aus gefundenen Objekten) bis hin zu Einblicken in die digitale Medienwelt wie der Podcast- oder Videoproduktion. Dabei kam auch die Medienkompetenz nicht zu kurz. Kreative Programme wie ein Improvisationstheater sowie „Making“ als Verbindung von Ideen und Technik rundeten das Angebot ab. „Natürlich kamen die vielen Programmpunkte bei der oder dem Einzelnen unterschiedlich gut an“, erläutert Costanzo. „Grundsätzlich aber haben die Kids unser Angebot wie trockene Schwämme aufgesaugt.“ 

Dennoch haben Costanzo und ihr Team auch deutliche Veränderungen im Verhalten der Kinder und Jugendlichen bemerkt. „Seitdem junge Menschen im Zuge von Corona auf viele ihrer sozialen Kontakte etwa in der Schule verzichten mussten, erleben wir, wie sich Kinder und Jugendliche in unseren Veranstaltungen schwerer tun, Konflikte und Meinungsverschiedenheiten in der Gruppe – ohne eine externe Autorität – selbstständig zu lösen“, hat Barbara Costanzo beobachtet. „Darüber hinaus zeigen die Gespräche mit unseren jungen Teilnehmern, dass vielen nach der längeren Pandemie-bedingten Isolation der Mut zum Mitmachen fehlt.“


Heimisches Obst als Dankeschön

Umso dankbarer waren die Eltern nach Ablauf der Workshops, dass ihre Kinder wieder frische Impulse von außen erhalten hatten. „Häufig haben uns Kinder oder Eltern als kleines Dankeschön Obst und Gemüse aus dem heimischen Garten mitgebracht“, freut sich Costanzo. „Es ist für uns als Organisatoren eine tolle Bestätigung, wenn wir erleben, wie stolz die Kinder und Jugendlichen ihren Eltern das frisch Erlernte demonstrieren. Gerade in strukturschwachen Gebieten genießen es die Kids, dass sie nicht nur konsumieren, sondern selbst etwas gestalten können – und steigen gerne ein.“

Daher will der Verein auch in den kommenden Jahren sein Programm für die Kinder und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern anbieten. Costanzo: „Ein langer Atem, reichlich Herzblut von ehrenamtlichen wie professionellen Teammitgliedern und natürlich eine ordentliche Portion Geduld – all das zahlt sich in jedem Fall aus.“


Kinder und Jugendliche kämpfen immer noch mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie, auch wenn die Schulen inzwischen zum Präsenzunterricht zurückgekehrt sind. Wie digital ist das Lehren und Lernen heute? Konnten die 10- bis 16-Jährigen ihre pandemiebedingten Lernrückstände aufholen? Und welche Angebote haben sie dafür wahrgenommen? Antworten liefert die Allensbach-Befragung Lernen nach Corona, die die Telekom-Stiftung in Auftrag gegeben hat.