Jump to main content

„Ins Machen kommen“

Text: Corina Niebuhr | Lesezeit: 5 Minuten
Mädchen sitzen an Arbeitstisch vor Laptops und sprechen miteinander.
©

Die FabLab-Gründer Karsten Nebe und Martin Kreymann über jungen Pioniergeist, der zwischen Lötkolben, Fräsen und Laserschneidern entsteht.

Herr Nebe und Herr Kreymann, Sie haben gemeinsam an der Hochschule Rhein-Waal das 600 Quadratmeter große „FabLab Kamp-Lintfort“ aufgebaut. Zunächst einmal die Frage: Was versteht man unter einem FabLab?

Karsten Nebe: FabLabs sind ein globales Netzwerk, das aus lokalen offenen Werkstätten besteht. Sie fördern Erfindergeist, indem sie allen Bürgern Zugang zu digitalen Fabrikationsmaschinen bieten.

Bei Ihnen ist das FabLab eine hochschuleigene Hightech-Werkstatt auf dem Campus Kamp-Lintfort. Was hat es damit genau auf sich?

Nebe: Als Informatikprofessor wollte ich einen kreativen Ort schaffen, wo Informatik und Technik ganz nah an Studierende, Schüler und Bürger heranrücken. Man muss wissen, dass ein FabLab per Definition immer eine frei zugängliche Werkstatt ist. Zu uns kommen Hobbybastler, Freiberufler und Handwerker genauso wie Start-up-Gründer, die Prototypen bauen, aber eben auch Schulklassen. Auch ihnen wollen wir beibringen, wie die wichtigsten Hightech-Maschinen, klassische Werkzeuge und Fertigungsarten funktionieren. Wenn Schüler dann noch lernen, wie sie diese Geräte bedienen, ist das ungemein beflügelnd für die eigene Fantasie. Und es wächst der Wunsch, selbst Dinge herzustellen.

Herr Kreymann, Sie leiten die Schülerangebote des FabLabs. Wie kommt Ihr modernes Tüftlerparadies bei den regionalen Schulen an?

Martin Kreymann: Sehr gut! Für viele Lehrkräfte sind wir sozusagen das Labor ihrer Träume, weil sie einen solchen Maschinenpark an der Schule natürlich nie haben werden. Dabei schätzen sie insbesondere, dass im FabLab analoge Handarbeit sehr leicht mit Computerarbeit verknüpft werden kann – egal, ob es jetzt um ein Projekt im Kunst-, Umwelt- oder Physikunterricht geht. An den Schulen ist das so meistens nicht möglich. Und man muss wissen, dass Kinder generell immer weniger handwerkliche Fähigkeiten besitzen, weshalb Werkunterricht wichtiger wird. Hier sind die Rückmeldungen der Schulen teils schon alarmierend: Vor ein paar Jahren waren zahlreiche Schüler vom Löten überfordert, heute können viele noch nicht einmal mehr präzise mit der Schere ausschneiden.

Umso weiter scheint der Weg bis zur Hightech-Maschine zu sein. Wie schaffen Sie es, dass die ganze Schulklasse mit Freude im FabLab werkelt und sich an digital gesteuerte Maschinen heranwagt?

Nebe: Wir fangen meist mit den Siebtklässlern an und bauen das langsam auf. Zunächst konstruieren die Schüler mit sehr einfachen Programmen und lernen beispielsweise, wie man mit einem Vinylschneider umgeht. Sie schneiden damit Buchstaben oder Formen aus, die wir dann gemeinsam auf T-Shirts drucken. Das bringt Spaß in die Gruppe und macht viele stolz, was wiederum andere ansteckt, sich zu interessieren. Die Shirts darf die Klasse mitnehmen. Und solche Mitbringsel erinnern die jungen Menschen daran, dass sie mit dieser einen Maschine bereits gut umgehen können. Beim nächsten Besuch probieren sie weitere Geräte dann schon mutiger aus.

Kreymann: Der Clou ist, dass wir Maschinen wie einen 3-D-Drucker, einen Laserschneider oder eine kleine CNC-Fräse auch gemeinsam mit der Schulklasse im FabLab bauen. Diese Geräte sind dann fürs eigene Schülerlabor gedacht, die Klasse nimmt sie also mit. So lernen die Schüler und Lehrkräfte von der Pike auf, wie digitale Fertigungsgeräte funktionieren. Sie werden ihnen vertraut, was gerade Kindern und Jugendlichen die Scheu vor Technik und auch Informatik nimmt. Stattdessen bekommen sie Lust, mehr auszuprobieren.

Was wäre das zum Beispiel?

Kreymann: Mit einer selbst gebauten CNC-Fräse könnte man aus einem Klötzchen Material eine selbst gezeichnete Comicfigur fräsen, um sie sich ins Regal zu stellen.

Nebe: Ja, solche Spielereien sind beliebt. In unseren Workshops sind 3D-Scans vom eigenen Körper oder ferngesteuerte Autos mit individuell gefertigten Anbauteilen mit zusätzlicher Elektronik der Renner, die faszinieren Kinder.

Und wie wird aus diesem spielerischen Tüfteln dann ernster Erfindergeist?

Nebe: Ein breites Fertigungswissen und erste Maker-Erfahrungen können die Vorstellungskraft gerade bei den Jugendlichen enorm beflügeln, das beobachten wir immer wieder. Wenn sie verstehen, dass sie Dinge auf ganz unterschiedliche Art und Weise selbst kreieren können, Dinge, die es so vielleicht noch gar nicht gibt, sind sie nicht selten bei uns Dauergast. Dann hat der Erfindergeist sie gepackt, den sie bei uns natürlich auch ausleben dürfen – denn dafür sind wir da.

Wie bringen Sie möglichst viele junge Menschen an diesen Punkt, dass sie nicht nur Ideen verfolgen, sondern auch Prototypen oder Produkte für eine Geschäftsidee gestalten wollen?

Nebe: Wir motivieren alle, sich in der Freizeit möglichst ein kleines Projekt vorzunehmen. Das kann am Anfang einfach ein Gegenstand sein, den sie anhand einer patentfreien Vorlage aus dem Internet nachbauen. Wichtig ist, dass sie ins Machen kommen. Aber auch Vorbilder haben hier einen großen Einfluss: Wenn die Jugendlichen im FabLab Studierende oder Gründer erleben, die am Nachbartisch voller Elan und hochkonzentriert noch viel komplexere Dinge kreieren, dann ist das sehr inspirierend. Dann wehen sozusagen Kreativität und der Erfindergeist zu ihnen rüber.

Beides sind sehr wichtige Kompetenzen für das 21. Jahrhundert. Kann das FabLab auch andere dringend benötigte Fähigkeiten für die Welt von morgen fördern?

Kreymann: Auf jeden Fall. Wenn man eigene Ideen entwickelt, wird man zum Beispiel schnell mit Problemen konfrontiert, die gelöst werden müssen – sonst kommt man nicht voran. Und da macht es Sinn, von vorneherein mit anderen Personen zusammenzuarbeiten, die mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung schnell helfen, damit einem die Probleme nicht über den Kopf wachsen. Das sind alles wichtige Zukunftskompetenzen.

Kinder und Jugendliche lernen diese Fähigkeiten im FabLab also eher beiläufig entlang des eigenen kreativen Prozesses?

Kreymann: Ja, genau. Man nimmt sich etwas vor, probiert es aus, scheitert, holt sich Rat bei anderen, diskutiert über Möglichkeiten, überlegt sich etwas Neues, hat einen ersten kleinen Erfolg, der dann aber noch nicht ausreicht, bespricht die aktuelle Situation wieder mit anderen, erweitert den eigenen Horizont, wagt einen weiteren Schritt, scheitert und so fort. So lernen die jungen Menschen sehr gut und sie können dieses Wissen und diese Erfahrungen auch verinnerlichen.

Nebe: Es ist wirklich erstaunlich, was ein FabLab bewirken kann! Für mich ist es ein fantastischer Ort.

 

  • Dr. Karsten Nebe (46) ist seit 2011 Informatikprofessor an der Hochschule Rhein-Waal. Seine Schwerpunkte sind insbesondere das Usability Engineering und die Digitale Fabrikation. 2014 gründete er das hochschuleigene FabLab Kamp-Lintfort, eines der modernsten FabLabs in der weltweiten Community.
     
  • Dr. Martin Kreymann (60) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Rhein-Waal. Am FabLab Kamp-Lintfort ist er verantwortlich für School FabLab, eine gemeinsame Initiative von Zukunft durch Innovation.NRW (zdi) und des Schulamts Kreis Wesel.

Die Deutsche Telekom Stiftung setzt sich für die Zusammenarbeit von Schulen mit außerschulischen Lernorten im Sinne eines Bildungs-Ökosystems ein. Mehr Geschichten über Bildungspioniere wie Karsten Nebe und Martin Kreymann lesen Sie auch in Ausgabe Nr. 12 unseres Bildungsmagazins sonar zum Thema „Pioniergeist“.