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Sechstes Magenta-Sofa in Bonn

Auf dem sechsten Magenta-Sofa der Deutsche Telekom Stiftung wurde zum Thema „Frühe Bildung: Wann wird Förderung zur Überforderung?“ diskutiert. Neben Telekom-Vorstandsmitglied Claudia Nemat und Kinder- und Jugendpsychiater Professor Gerd Lehmkuhl war die Diplom-Pädagogin und Autorin Katharina Saalfrank in Bonn zu Gast. Im Interview erläutert sie ihre Vorstellungen von erfolgreicher frühkindlicher Bildung und nimmt Stellung zu frühem Leistungsdruck.

Frau Saalfrank, was sind für Sie zentrale Elemente früher Bildung?

Eltern stehen unter einem hohen Druck, wenn es um Bildung und Erziehung ihrer Kinder geht. Ich erlebe unsere Gesellschaft in einem wahren ‚Bildungswahn’, der uns alle unter Druck geraten lässt, denn die Erwartungen an das Familienleben und daran, was Kinder sind und sein sollen, sind häufig überzogen und gehen an dem vorbei was Kinder wirklich sind. Neben den Bildungsplänen schon in Krippen und Kitas bleibt oft kaum Zeit für das Wachsenlassen von Kindern. Ich bin überzeugt, dass das aktive Erziehen überflüssig – sogar an vielen Stellen schädlich für die Entwicklung der Kinder ist. Wir können uns trauen, die Beziehung zu den Kindern in den Mittelpunkt zu stellen und die Kinder in ihren Bedürfnissen, Wünschen, Reaktionen und Vorstellungen ernst zu nehmen. Das geht nicht ohne Autorität. Die Art und Weise, wie wir die Autorität ausfüllen ist entscheidend. Es geht um die Entwicklung einer persönlichen Autorität. Das ist neu und bedeutet nicht, die Kinder zu kontrollieren oder in Schablonen zu pressen, sondern es bedeutet, sich zu positionieren, sie zu leiten, ihnen Orientierung zu geben, sie zum Beispiel in ihrer natürlichen Neugier zu unterstützen, damit sie sich weiterentwickeln und in ihren Kompetenzen wachsen können.

Wie stehen Sie zum Bildungsauftrag der Kita – entsteht hier bereits erster Leistungsdruck?

Leistungsdruck entsteht dann, wenn die Kinder durchorganisiert und nach Bildungsplänen „behandelt“ werden, wenn sie keine Zeit und Gelegenheit haben, zu spielen, sich frei zu bewegen oder auch zur Ruhe zu kommen. Nur aus diesen Zuständen können Kinder wachsen, kreativ sein, ihrer Neugier natürlich nachgehen und eigene Ideen entwickeln. Nur, wenn Kinder die Möglichkeit haben, Ideen zu entwickeln, sich auszuprobieren und wenn sie Bestärkung und Wertschätzung erfahren, besteht die Chance, dass aus ihnen später Erwachsene, die eine eigene Haltung entwickeln und zu Gestaltern unserer Gesellschaft werden.

Woran können Eltern erkennen, dass ihre Kinder überfordert sind?

Eine Überforderung signalisieren Kinder in der Regel sehr deutlich. Kinder sind die loyalsten Menschen der Welt, sie wollen uns Erwachsenen eigentlich alles recht machen und haben die Fähigkeit zur Zusammenarbeit und andererseits auch zur Anpassung. Wenn sie also nicht mehr bereit sind zu kooperieren, wenn sie sich zurückziehen oder sich verweigern, dann sind das deutliche Zeichen, dass etwas in Schieflage geraten ist. Hier ist es dann wichtig die Signale, Rückmeldungen und Reaktionen der Kinder ernst zu nehmen. Wenn Eltern es schaffen in einer solchen Situation offen und ohne Druck auf das Kind zugehen, werden sich die Gründe für die Überforderung schnell erschließen und gemeinsam ist es möglich neue Wege zu finden.