Jump to main content

„Der Technikdidaktik mangelt es an Nachwuchs“

Die Situation der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fachdidaktiken an deutschen Hochschulen hat sich in den vergangenen zehn Jahren recht positiv entwickelt. Dies belegt eine im Auftrag der Deutsche Telekom Stiftung im vergangenen Jahr erarbeitete Untersuchung. Abgesehen von Einzelfällen wurden nahezu alle frei gewordenen Professorenstellen wieder besetzt und Umwidmungen fanden nur selten statt. In einigen Fächern wurde die Anzahl an Fachdidaktikprofessuren sogar deutlich erhöht. Ganz anders sieht es bei den Technikdidaktiken aus. Die Gründe dafür erläutert Professor Wilfried Schlagenhauf, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Technische Bildung.

Professor Schlagenhauf, Wie sehen Sie die Lage der Technikdidaktik an deutschen Hochschulen?

Schlagenhauf: Leider stellt sich die Situation in der Technikdidaktik anders dar als bei den anderen MINT-Fachdidaktiken. In den letzten 15 Jahren sind viele Professorenstellen umgewidmet bzw. nicht wiederbesetzt worden. Wir müssen konstatieren, dass die Lehrerausbildung für Technikunterricht an den Hochschulen insgesamt erheblich reduziert wurde. Manche Standorte wurden gar geschlossen. Beispiel Nordrhein-Westfalen: von elf Standorten sind meines Wissens nur noch drei übrig.

Konnten denn zumindest alle ausgeschriebenen Technikdidaktik-Professuren auch besetzt werden?

Schlagenhauf: Da die Tendenz zur Schwächung oder Schließung von Hochschulstandorten besteht, ist ein Rückgang der ohnehin personell schwachen technikdidaktischen Forschung unvermeidlich. Nicht selten mussten Technikdidaktik-Lehrstühle unbesetzt bleiben oder wurden mit reinen Fachwissenschaftlern oder Berufspädagogen besetzt, weil es zu wenig Nachwuchs im Bereich allgemeine Technikdidaktik gibt

Sind denn überhaupt neue Lehrstühle eingerichtet worden?

Schlagenhauf: Ich kann die Frage nicht ganz sicher beantworten. In Baden-Württemberg gibt es eine neue Professur für Naturwissenschaft und Technik für das Lehramt an Gymnasien. Von weiteren weiß ich nichts.

In den anderen Fächern hat die Anzahl an Doktorandenstellen erheblich zugenommen. Wie sieht es in der Technikdidaktik aus?

Schlagenhauf: Diese Entwicklung können wir bei uns leider nicht beobachten. Im Gegenteil: infolge der Reduktion der Lehrstühle ist auch die Anzahl an Qualifikationsstellen stark zurückgegangen.

Wie schätzen Sie die derzeitige Situation in der Technikdidaktik insgesamt ein?

Schlagenhauf: Das für die Technikdidaktik derzeit stärkste Handikap ist der mangelnde wissenschaftliche Nachwuchs. Dabei sind andererseits Techniklehrkräfte an den Schulen sehr nachgefragt. Gute Studierende entscheiden sich daher zumeist für die Verbeamtung und gegen das Risiko einer Forschungsstelle auf Zeit, mit der in der Regel eine wissenschaftliche Laufbahn verbunden ist. Wenn dann in der Konsequenz der Bereich Technikdidaktik nicht von ausgebildeten Fachdidaktikerinnen und Fachdidaktikern vertreten und verteidigt wird, sondern durch Fachwissenschaftler, die in der Regel eine enge fachliche Ausrichtung aufweisen oder durch Berufspädagogen, die mit den Perspektiven einer allgemeinen technischen Bildung nicht genügend vertraut sind, dann führt dies mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Qualitätseinbußen in der fachdidaktischen Lehre und Forschung.
Eine der Ursachen hierfür ist sicher, dass an unseren allgemeinbildenden Gymnasien die Ausbildung in technischen Fragestellungen nach wie vor so gut wie keine Rolle spielt. Hoffnungsvolle Tendenzen gibt es dort, wo sich Fächerverbünde mit substanziellem Technikinhalt im Gymnasium etablieren können, was beispielsweise derzeit mit dem neuen Fach Naturwissenschaft und Technik an Gymnasien in Baden-Württemberg der Fall ist.