„Wir müssen das Potential von KI in der Bildung heben“
Interview
Am 16. Januar 2026 wird zum ersten Mal der KI-Schulpreis verliehen. Eine Jury unter Leitung von Prof. Dr. Ulrike Cress, Direktorin des Leibniz-Instituts für Wissensmedien und stellvertretende Vorsitzende der Telekom-Stiftung, hat Ende November eine Shortlist von 18 Schulen ausgewählt, deren eingereichte Konzepte zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) besonders eindrucksvoll waren. Im Interview sprechen Ulrike Cress und unser Geschäftsführer Jacob Chammon über die Auswahl und die Bedeutung von KI für die Bildung.
Frau Cress, ist das Thema KI schon in den deutschen Schulen angekommen?
Ulrike Cress: Ich denke ja, das haben wir an den insgesamt knapp 200 Einsendungen gut sehen können. Viele Schulen begreifen Künstliche Intelligenz bereits als Chance, um sich zu verbessern. Egal ob Lehren, Lernen oder Prüfungen – KI hat das Potenzial, positive Impulse zu setzen: Persönliches Feedback, individuelle Aufgabenstellungen, automatische Korrekturen oder das Schreiben von Zeugnissen – das alles ist technisch längst möglich und wird datenschutzkonform genutzt. Hier haben sich Schulen auf den Weg gemacht und überzeugende Konzepte entwickelt, die uns als Jurymitglieder beeindruckt haben.
Wie verlief die Jurysitzung?
Ulrike Cress: Wir hatten die Jury in die Räumlichkeiten der Telekom-Stiftung nach Bonn eingeladen. In der sehr konstruktiven Sitzung wurde viel diskutiert, gerungen, aber auch gelacht und wir waren uns relativ schnell einig, welche der eingereichten Projekte am 16. Januar ausgezeichnet werden. Und das möchte ich an dieser Stelle nochmal betonen: Die gesamte Jury war beeindruckt von der Qualität und des Variantenreichtums der eingesendeten Beiträge.
Warum sollten Schulen eigentlich KI nutzen, welche Gründe sprechen für den Einsatz in der Bildung?
Jacob Chammon: Für mich gibt es drei zentrale Gründe.
Erstens: Schule muss alle Schüler*innen befähigen, beruflich und gesellschaftlich teilhaben zu können. In einer zunehmend digitalisierten Welt sind dafür valide digitale Kompetenzen unabdingbar. Hier kommt sofort die KI ins Spiel, die auch von vielen Schüler*innen längst selbstverständlich genutzt wird. Und KI kann durch mehr individuelle Förderung, optimierte Lernangebote und Lernmethoden die Bildungsgerechtigkeit steigern. Es wäre doch schön, wenn Bildung nicht mehr von der Herkunft abhängen würde, wie es in Deutschland leider immer noch zu oft der Fall ist.
Zweitens: KI hat das Potenzial, Lehrkräfte maßgeblich zu entlasten. Viele erproben bereits die Möglichkeiten, die KI ihnen bietet: bei der Schul- und Unterrichtsentwicklung, bei individueller Förderung, bei Prüfungen.
Und drittens kann KI kann auch die Schulorganisation und -verwaltung auf ein neues Level heben. Stundenplanerstellung, Vertretungen organisieren, Bildungsdaten auswerten, Umsetzung von Curriculae in den konkreten Lehrplan und Entlastung bei Verwaltungsarbeiten – das und viel mehr ist längst möglich und dafür wird KI auch bereits eingesetzt.
Warum setzt sich die Deutsche Telekom Stiftung für KI in der Bildung ein?
Jacob Chammon: Als MINT-Bildungsstiftung sehen wir unsere Aufgabe darin, Schulen und deren Partner dabei zu unterstützen, die Kultur der Digitalität mitzugestalten. Dazu gehört auch der verantwortliche Umgang mit Künstlicher Intelligenz. KI-Anwendungen haben das Bildungssystem auf allen Ebenen bereits verändert und dieser Prozess wird sich noch weiter beschleunigen. Ich scheue mich nicht, hier von einem echten pädagogischen Kulturwandel zu sprechen. Und weil wir von den positiven Effekten überzeugt sind, fördern wir das Lernen mit und über Künstliche Intelligenz, um die Bildungschancen junger Menschen zu erhöhen. Denn durch individuelle Lernpläne und Aufgaben kann man sowohl die schwächeren als auch die starken Schüler*innnen gezielt fördern.
Gibt es auch Probleme, die durch die Nutzung von KI entstehen können?
Ulrike Cress: Uns muss bewusst sein, dass die Nutzung von KI auch Herausforderungen beinhaltet, die aber lösbar sind. Ein Beispiel wäre die Auslagerung von Schreibprozessen. Schüler*innen erwerben keine Schreibkompetenzen mehr, wenn sie es nicht selbst üben. Und Schreiben ist wichtig, weil es die Elaboration und Strukturierung von Inhalten anregt. Und nach wie vor kommunizieren wir regelmäßig schriftlich. Also ist diese Fähigkeit auch weiterhin von zentraler Bedeutung.
Jacob Chammon: Für mich ist die unreflektierte Übernahme von KI-generierten Inhalten eine Herausforderung, die wir unbedingt grundsätzlich angehen müssen. Hier sind kritisches Denken gefragt und Urteilskraft – beides kann und sollte die Schule vermitteln. Hier können aber auch die Eltern und andere Erwachsene unterstützen – denn in diesem Bereich müssen wir noch alle lernen – nicht nur die Jugendlichen.
Was ist Ihre persönliche Zukunftsperspektive für das Thema KI in der Bildung?
Jacob Chammon: KI-Technologien bieten enormes Potenzial für das System Schule. Nun geht es für alle Akteure im Bildungssystem – Praxis, Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, EdTechs und Zivilgesellschaft - darum, dieses Potenzial zu heben und KI zu einem selbstverständlichen Bestandteil guter Bildung zu machen. Dabei müssen wir die bestehende Vielfalt der Nutzungsmöglichkeiten in den Blick nehmen und die weiteren Aufgaben gemeinsam angehen. Und Schulen, die noch zaudern, sich unsicher sind, müssen wir durch Best Practice-Beispiele und mit Materialien unterstützen. Hier gibt es die hervorragenden Best Practice-Beispiele der Shortlist-Schulen des KI-Schulpreises, die bereits abrufbar sind.
Ulrike Cress: Ich halte KI für eine zentrale Stellschraube, wenn es in Zukunft darum geht, das Lehren, Lernen und Prüfen zu verbessern. Eines der zentralen Ergebnisse aus dem von der Stiftung veröffentlichten Trendmonitor KI in der Bildung ist, dass sich das KI-Angebot für schulische Zwecke seit 2021 etwa verdreifacht hat. Das zeigt deutlich, das KI als wichtiges Bildungsthema in der Breite ankommt, und ich bin mir sicher, dass das Thema weiter Fahrt aufnehmen und in wenigen Jahren völlig selbstverständlich genutzt werden wird – damit alle die für sie bestmögliche Bildung erhalten. Hier müssen wir dafür sorgen, dass auch leistungsschwächere Schüler*innen vom Einsatz der KI profitieren.