„Ich würde es wieder genauso machen“

Aus der Wissenschaft ins Lehramt: Erfahrungen eines Seiteneinsteigers
Sebastian Grab unterrichtet Physik und Mathematik am Bonner Clara-Schumann-Gymnasium. Lehrer wollte der promovierte Physiker nicht unbedingt werden: Nach zwei Semestern Lehramtsstudium konzentrierte er sich doch lieber auf die reine Physik, hängte ans Diplom gleich die Promotion an und blieb der Wissenschaft für einige Jahre treu, eine Weile auch als Postdoktorand in den USA. Doch irgendwann die Frage: wie weiter? Sich von einem Dreijahresvertrag zum nächsten hangeln um – hoffentlich – früher oder später eine Professur zu ergattern? Nach der Beschäftigung mit unterschiedlichsten Optionen entschloss er sich, doch Lehrer zu werden. Nun als Seiteneinsteiger. Von seinen Erfahrungen ist vieles in die Handreichung „Quer- und Seiteneinstieg von Lehrkräften erfolgreich gestalten“ eingeflossen – und in dieses Interview.
Sebastian, wie kam es zu Deinem Seiteneinstieg?
Ein Freund aus Studienzeiten, damals schon ins Lehramt umgestiegen, gab den Ausschlag, übers Lehrerwerden nachzudenken – und auch gleich die Möglichkeit, es auszuprobieren: Er holte mich an seine Schule – heute auch meine – und ich konnte mir alles eine Woche lang anschauen und auch gleich ein bisschen selbst unterrichten, es also ausprobieren, mich ausprobieren. Danach wusste ich: Das ist es! Nach einer sehr kurzen Zeit als Vertretungslehrer habe ich mich an meiner Schule auf eine Stelle als Seiteneinsteiger beworben – und bin genommen worden.
Was hat Dir beim Ankommen in der Lehrerrolle besonders geholfen?
Offiziell im Seiteneinstieg kam ich auch ins OBAS, den berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst in NRW. Die Zusatzausbildung dort in Pädagogik und Didaktik hat viel gebracht, klar. Für mich war aber das Unterrichten selbst, in das man beim Seiteneinstieg gleich hineingeschubst wird, besonders hilfreich. Gerade dank der kollegialen Unterstützung, die ich hatte. Beim Ausprobieren geht anfangs natürlich auch mal was schief, aber schon nach kurzer Zeit hatte ich durch den Austausch mit Kollegen eine gute Herangehensweise entwickelt.
Welche Bedeutung hatten die Kolleginnen und Kollegen konkret für Dich?
Es ist ein sehr offenes Kollegium, an das ich schnell Anschluss gefunden habe. Immer hat mir jemand Material bereitgestellt oder Fragen beantwortet. Durch das OBAS-Programm hatte ich dann auch offiziell meine Mentoren – je Fach einen, also Physik und Mathematik. Die hatten immer ein offenes Ohr und standen mir mit Rat und Tat zur Seite – und halt mit Material, was so hilfreich ist, weil man nicht jedes Rad selbst neu erfinden muss. Ich bin einfach gut aufgenommen worden – nicht als Lehrer zweiter Klasse, sondern als vollwertiger Kollege.
Und Deine Schulleitung?
Der Direktor hat sehr dafür gesorgt, dass die Arbeitsbelastung gut gepasst hat. Er hat mir nicht die ganz arbeits- oder korrekturintensiven Kurse gegeben und darauf geachtet, dass ich keine Zusatzsachen bekomme. Bei meiner OBAS-Ausbildung habe ich mitbekommen, dass das bei Seiteneinsteigern anderer Schulen ganz anders lief, sie etwa sofort eine Klassenleitung übernehmen mussten.
An meiner Schule hatte ich dagegen auch die Möglichkeit, mit einem Kollegen im Tandem zu unterrichten. Da haben wir einen Kurs zusammen vorbereitet, haben uns abgesprochen und wenn es für mich zu stressig wurde, hat der Kollege ein bisschen übernommen. Bei dieser Art der Zusammenarbeit habe ich sehr viel gelernt.
Wo lagen Deine wichtigsten Unsicherheiten zu Beginn?
Zentral war: Wie unterrichtet man? Das ist ja keine Vorlesung, die ich da halte. Wie aktiviere ich die Schüler, rege sie zum Nachdenken an, zum eigenen Tun? Da hat mir zum Beispiel geholfen, wenn ein Kollege mir seine Planung einer Unterrichtsreihe, etwa zum Magnetismus, skizziert hat – welche Experimente passen, was an Geräten und Materialien mir dazu in der Schule zur Verfügung steht. Neuland waren für mich natürlich auch das Thema Elternarbeit und der Umgang mit Konflikten, wenn sich zum Beispiel jemand beschwert, dass sein Kind doch keine Zwei bekommen hat. Da waren die Tipps, wie ich was formulieren sollte, und die Rückendeckung und Erfahrenheit meiner Kollegen total wertvoll.
Was würdest Du aus heutiger Sicht anders machen?
Ich würde es wieder genauso machen. Ich habe das Glück, sagen zu können: Es ist für mich an meiner Schule im Großen und Ganzen genauso gelaufen, wie wir es gemeinsam für die Handreichung erarbeitet haben.
Und auch sonst würde ich den Weg nochmal genauso gehen – also erst Physik, dann damit erst etwas anderes machen, zum Beispiel in die Wissenschaft gehen, und dann in die Schule einsteigen.
Kannst Du und können auch Deine Kollegen von spezifischen Erfahrungen aus Deinem Werdegang profitieren?
Gerade in der Physik ist ein tiefgehendes Fachwissen schon sehr hilfreich. Die Schüler merken, wenn man Ahnung hat, nicht nur im Leistungskurs in der Oberstufe. Und haben auch was davon, wenn jemand genau weiß, wie Wissenschaft funktioniert und wie eine wissenschaftliche Arbeit aussieht – also auch eine Facharbeit.
Vor ein paar Jahren kam im Lehrplan für die Oberstufe die Teilchenphysik dazu – mein Fachgebiet, aber in der Lehrerausbildung meiner Kollegen war das noch gar kein Thema. Da konnte ich sicherlich so einiges einbringen. Oft findet der fachliche Austausch bei uns an der Kaffeemaschine statt.
Wovon ich auch sehr profitiert habe, sind einige Softskills. Die Wissenschaft ist ein anstrengendes Geschäft. Und ein Seiteneinstieg fordert auch ganz schön. Der Unterrichtsumfang ist größer als im Referendariat. Dass ich gelernt hatte, mit hoher Belastung umzugehen, kam mir da zugute.
Und was wünschst Du allen, die heute oder zukünftig einen ähnlichen Weg wie Du gehen?
Zunächst vor allem: Gelassenheit. Schule ist ein riesiges soziales System mit vielen Menschen und viel Klein-Klein. Da knarzt es immer mal wieder, gerade am Anfang. Dabei innere Ruhe zu bewahren, einfach weiterzumachen und darauf zu vertrauen, dass es sich schon zurechtruckeln wird – das ist eine wichtige Grundhaltung. Das hängt ja auch mit einem gewissen Durchhaltevermögen zusammen, das ich auch jedem wünsche. Zugleich sollte man sich aber gerade zu Beginn natürlich ganz ehrlich hinterfragen, ob dieser Beruf wirklich was für einen ist.
Von Schulseite wünsche ich jedem neuen Kollegen eine gute Unterstützung – mit Mentoring, Material und so weiter. Und dass ihre Schulleitungen unsere Handreichung lesen und vieles daraus für sich und ihre Schule übernehmen.