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Trendmonitor Spezial: Traumpaar KI und MINT?

Text: Annika Klaus | Lesezeit: 5 Minuten
Auf dem Bild ist das Cover der Publikation "Trendmonitor Spezial: MINT-Lernen mit KI" zu sehen.

Hilft Künstliche Intelligenz dabei, MINT-Lernen zu verbessern und wenn ja, wie? Es sind vor allem Projekte, die zeigen, wie es gehen kann.

Die Hoffnungen in Künstliche Intelligenz (KI), das Lehren, Lernen und Prüfen zu verbessern, sind groß, gerade für MINT. Doch lassen sich die angenommenen Potenziale von KI im Schulalltag auch tatsächlich ausschöpfen – und wenn ja, wie? Für den ersten Trendmonitor Spezial unter dem Titel „MINT-Lernen mit KI“ haben wir zusammen mit dem Deutschen Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz (DFKI) und dem mmb Institut vier Kernpotenziale von KI und MINT unter die Lupe genommen:

  • mehr Chancengerechtigkeit für alle Schüler*innen,
  • MINT anders erlebbar machen,
  • individuelle Förderung und
  • MINT als Schlüssel zur KI-Mündigkeit

Doch die Suche nach Anwendungen, die nachweislich lernförderlich wirken und mindestens eines dieser Potenziale bedienen, war zunächst ernüchternd, so Dr. Berit Blanc, Co-Autorin der Studie, bei einer Online-Diskussion im Dezember 2025 zu den Ergebnissen: „International haben wir viel gefunden, etwa in Form Intelligenter Tutoring Systeme (ITS), wenig aber im deutschen Bildungskontext. Deshalb haben wir die Recherche auf erprobte Anwendungen im Projektstatus ausgeweitet, mit denen mindestens erste Erfahrungen vorliegen. Und in den Analysen und Interviews mit Projektverantwortlichen danach geschaut, was Lehrkräfte daraus in den eigenen Unterricht transferieren können.“


„Dann bleibt es im Projektstadium“

Dass es für hiesige Schulen bislang kaum unmittelbar nutzbare KI-Tools gibt, schätzt Blancs Co-Autor für die Trendmonitor-Reihe Dr. Lutz Goertz als eher deutsches Phänomen ein: „Während etwa in den USA der Geist, etwas einfach mal zu machen, sehr ausgeprägt ist, geht es an unseren Schulen nach wie vor stark nach Lehrplan. Natürlich mögen bereitgestellte Budgets zugunsten neuer Möglichkeiten auch eine Rolle spielen: In Deutschland gibt es zwar viele Förderprojekte, aber offenbar weniger Bestrebungen, diese flächendeckend in den Schulen einzuführen. Dann bleibt es halt im Projektstadium stehen.“ Dabei gebe es aus seiner Sicht einen vielversprechenden Lösungsansatz für ihre Verbreitung: „Sie könnten doch in bereits zugelassene Plattformen integriert werden, etwa in Fobizz oder FelloFish.“


Vielversprechendes für die Schule

Die vielfältige Auswahl von Anwendungen im Trendmonitor Spezial zeigt: KI und MINT – das bringt so einiges! Für alle vier untersuchten Kernpotenziale von KI beim MINT-Lernen gibt es vielversprechende Beispiele für den Einsatz in der Schule.

Eines davon: KI4S’Cool, ein aus Eigenmitteln finanziertes Projekt am Lehrstuhl für Didaktik der Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Hier entwickelt und erprobt Prof. Dr. Jochen Kuhn mit seinem Team ein personalisiertes, KI-basiertes Assistenz- und Feedbacksystem für das Fach Physik. Bei der Online-Diskussion zum Trendmonitor Spezial teilte Kuhn zentrale Erkenntnisse: „Elaboriertes Feedback für Lernende wirkt – besser als ein reines Ja oder Nein; es führt zu messbaren Lernzuwächsen, insbesondere bei Lernenden mit geringem Kompetenzniveau.” Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch das Projekt DARIUS/GENIUS, das der Trendmonitor Spezial ebenfalls unter die Lupe genommen hat.

Spannend sei zudem, so Kuhn, wie Lernende sich in ihren Feedbackpräferenzen unterscheiden: “Lernstärkere mögen es eher grafisch oder symbolhaft aufbereitet, Lernschwächere eher textbasiert. Und das Gute: Intelligente Systeme können dies berücksichtigen und Inhalte entsprechend passend bereitstellen.“


Den Lernprozess im Blick

Aber auch die künstliche, schultypische Trennung von Lernen und Prüfen lasse sich mit Systemen wie diesen überwinden: „Das Lernen auf der Plattform macht eine explizite Prüfung am Ende unnötig. Denn die Nutzung von Aufgaben auf der Plattform spiegelt verlässlich den Lernzuwachs wider.“

Es komme dank KI nicht mehr auf das Produkt an – das letztlich auch von KI selbst erzeugt werden könne. Vielmehr könne der Lernprozess und damit der sukzessive Kompetenzgewinn jeder Schülerin, jedes Schülers in den Fokus rücken und unmittelbar verbessert werden: „Durch unmittelbares Feedback für jeden Lernenden statt erst im Zuge einer Klassenarbeit. Und auch dadurch, dass sich Fehlvorstellungen schon während des Lernvorgangs aufdecken lassen und nicht erst, wenn Fehler daraus entstehen.“


Fehler als Helfer begreifen

Wobei Fehler an sich nichts Schlechtes seien – im Gegenteil, wie alle drei Expert*innen bei der Online-Diskussion betonten: „Eine offene Fehlerkultur ist nicht nur wichtig, wenn wir neue Wege beim Lernen gehen wollen – so wie mit KI“, sagte Lutz Goertz. „Sie ist auch eine wichtige Grundhaltung fürs Lernen insgesamt.“ Statt in einem System zu verharren, das nur auf die nächste Klassenarbeit hinarbeite, sei es an der Zeit, mehr zu experimentieren, Selbstwirksamkeitserfahrungen möglich zu machen und auch die Lernenden selbst erkennen zu lassen, wenn etwas falsch ist, um darüber auch ein eigenes Qualitätsbewusstsein zu entwickeln, so Goertz.

Zudem sei die Fehlerhaftigkeit von KI-Systemen selbst sehr gut nutzbar, wie Jochen Kuhn an der Visualisierung abstrakter Konzepte in den MINT-Fächern erläuterte, für die KI ganz neue Möglichkeiten eröffne: „Experimenttabellen der Schülerinnen und Schüler in Diagramme umwandeln, das kann generative KI wunderbar – aber nicht immer fehlerfrei. Und das ist auch eine echte Chance fürs kritische Hinsehen und für das Entwickeln von Repräsentationskompetenz, die eine Grundvoraussetzung ist für das Verständnis von MINT-Konzepten. Deshalb: Fehler zu machen ist nicht schlimm; nicht daraus oder damit zu lernen – da liegt das Problem.“ KI also auch als Sparringspartner in Sachen Fehlerkultur.


Empfehlungen für KI-Einsatz und -Fortbildungen

Alles in allem zeigen die im Trendmonitor Spezial untersuchten Projekte: KI hat das Zeug, das MINT-Lehren, -Lernen und Prüfen besser zu machen – individueller zugeschnitten und chancengerechter, anschaulicher und leichter zugänglich. Und MINT lässt sich als „Einfallstor für mehr KI-Kompetenzen nutzen“, wie Berit Blanc es formulierte.

Für den letztendlichen wirksamen Einsatz sind und bleiben aber zentral: die Lehrkräfte – egal, welche Fächer sie unterrichten. Denn auch wenn MINT und KI ein besonders gutes Team bilden – Künstliche Intelligenz durchzieht alle Lebensbereiche und denkt nicht in Fächergrenzen. Der Trendmonitor Spezial schließt deshalb nicht nur mit Handlungsempfehlungen für den Einsatz in den MINT-Fächern, sondern auch für alle Lehrkräfte – und für diejenigen, die sie mit Fortbildungsangeboten darin unterstützen, das Lehren, Lernen und Prüfen an unseren Schulen zu verbessern.

 

Zu den Personen:

  • Dr. Berit Blanc ist Senior Researcher am Deutschen Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz und Co-Autorin beim Trendmonitor KI in der Bildung.
  • Dr. Lutz Goertz ist Leiter Bildungsforschung am mmb Institut und Co-Autor beim Trendmonitor KI in der Bildung.
  • Prof. Dr. Jochen Kuhn ist Leiter des Lehrstuhls für Didaktik der Physik und Vizepräsident für Innovation in Lehre und Lehrkräftebildung an der Ludwig-Maximilians-Universität München.