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Porträt Katarina Barley

„Wir müssen die digitale Spaltung verhindern“

Bundesministerin Katarina Barley über technischen Wandel und soziale Veränderungen.

Frau Ministerin Barley, Sie haben kürzlich die Gamescom besucht, eine Messe für digitale Spielekultur. Die Präsenz „der Politik“ wurde in vielen Medien als Hinweis für die Bedeutung des digitalen Wandels auf allen gesellschaftlichen Ebenen gedeutet. Teilen Sie diese Einschätzung?
Die Medien befinden sich mitten in einem rasanten Wandel, der natürlich durch die Digitalisierung ausgelöst wurde. Viel gravierender als der technische Wandel sind aber soziale Veränderungen, die damit einhergehen. Als Familienministerin sehe ich genau hier eine besonders wichtige Aufgabe für mich. Wir müssen dafür sorgen, dass die Digitalisierung unsere Gesellschaft gerechter macht, etwa indem Bildungs- und Teilhabemöglichkeiten von digitalen Medien wirklich bei allen ankommen. Gleichzeitig dürfen wir Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Risiken, die oft mit digitalen Angeboten entstehen, nicht alleine lassen. Hier hat der Staat einen verfassungsrechtlichen Schutzauftrag. Es geht in den Sozialen Netzwerken – aber etwa auch bei Games – nicht mehr nur um potentiell gefährliche Inhalte, sondern um Risiken, die aus der Kommunikation und Interaktion entstehen. Dazu gehören etwa Cybermobbing, Hatespeech oder auch sexuelle Belästigung.


Was hat Sie auf der Gamescom besonders überrascht? Worüber haben Sie sich besonders gefreut?
Besonders gefreut habe ich mich darüber, wie kreativ die Community ist. Ein Highlight für mich war auch, schon jetzt einen Einblick in die nächste Spielegeneration zu bekommen, die noch gar nicht auf dem Markt ist. Die Gespräche auf der Gamescom haben mir nicht nur gezeigt, welches Potential in Spielen steckt, sondern auch, wie wichtig den Usern und der Branche ein modernisierter Rechtsrahmen für den Schutz von Kindern und Jugendlichen ist. 


Mit der Digitalisierung kommen sicher auch veränderte Anforderungen auf Ihr Ministerium zu? Was planen Sie speziell als Bundesjugendministerin, um Kinder und Jugendliche beim Erwerb digitaler Kompetenzen zu unterstützen?
Aufgabe des Kinder- und Jugendschutzes im digitalen Zeitalter ist es, Kindern und Jugendlichen ein gutes Aufwachsen mit Medien zu ermöglichen. Das bedeutet, dass es nicht allein um den Schutz, sondern auch um die Förderung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen in Bezug auf digitale Medien geht. Wir wollen Eltern eine zuverlässige Orientierung in der Entscheidung bieten, welche Medien gut für ihre Kinder sind und wie sie sich verhalten können, wenn etwas schief geht. Kindern und Jugendlichen einen altersgerechten Zugang zu Medien zu verschaffen, erfordert auch das Setzen von Grenzen. Wir sehen, dass heute ein Großteil des Medienkonsums mobil und vernetzt in den sozialen Medien stattfindet. Hierauf findet der gesetzliche Jugendmedienschutz, der weitgehend im Zeitalter der Homepages stecken geblieben ist, derzeit keine befriedigenden Antworten. Es ist ein umfassender Ansatz erforderlich, der Kindern und Jugendliche in ihrer persönlichen Integrität schützt und ihnen eine freie Persönlichkeitsentwicklung und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. Dies fordert nicht nur das Grundgesetz, sondern auch die Kinderrechtrechtskonvention der Vereinten Nationen. Jugendmedienschutz im digitalen, mobilen und grenzüberschreitenden Zeitalter erfordert die Verantwortung aller gesellschaftlichen Kräfte. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien soll hier eine zentrale Rolle einnehmen, um den Verfassungsauftrag für digitale Fürsorge zu erfüllen. Dafür müssen alle entscheidenden Akteure, wie etwa Anbieter, die Medienaufsicht, aber auch Technik und Wissenschaft, in festen Dialogformaten eingebunden werden. Ein effektiver Jugendmedienschutz lässt sich schließlich nur als  „Koproduktion“ zwischen Eltern, Gesetzgeber und Medienanbietern umsetzen. Wir haben hierzu einen Entwurf für ein modernes Jugendschutzgesetz vorgelegt. Jetzt müssen endlich auch alle anderen mitziehen, damit die Änderungen so schnell wie möglich in der nächsten Legislaturperiode umgesetzt werden. 


Die „Ich kann was!“-Initiative der Telekom-Stiftung möchte insbesondere junge Menschen aus einem sozial schwierigen Umfeld beim Erwerb von Schlüsselkompetenzen unterstützen. Gerade bei der Digitalisierung sprechen viele von der Gefahr des „digital divide“ und sehen Risiken für den sozialen Zusammenhalt in Deutschland. Wie schätzen Sie die Lage ein, wird genug getan für junge Menschen mit einem schwächeren Bildungshintergrund?
Ein gutes Aufwachsen mit digitalen Medien darf nicht allein Kindern und Jugendlichen aus einem bildungsaffinen Elternhaus vorbehalten bleiben. Wir müssen alles tun, um eine digitale Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. Es bedarf unkomplizierter Angebote, die Eltern und Erziehenden einen Einblick geben, in das was Kinder und Jugendliche im Netz tun und welche Risiken existieren. Dafür muss entsprechendes medienpädagogisches und technisches Rüstzeug bereitgestellt werden. Denn wer einfach nur auf die Verantwortung der Eltern verweist, macht es sich zu einfach. 


Die systematische Vermittlung von digitalen Kompetenzen erfolgt immer noch primär im schulischen Umfeld. Werden die Potenziale der offenen Kinder-und Jugendarbeit beim Erwerb von Medienkompetenz unterschätzt?
Schließlich heißt es immer, gerade hier könnte stärker auf die Bedarfe, Interessen und Alltagssituationen junger Menschen eingegangen werden, als es in der Schule möglich ist. Die Kinder- und Jugendarbeit ist ein unentbehrlicher Bestandteil der sozialen Infrastruktur und zentral für die Förderung von Medienkompetenz. Sie bietet ein großes Potential die Kinder- und Jugendlichen in ganz alltäglichen Situationen für Fragen rund um Mediennutzung und auch für Risiken der digitalen Medien zu sensibilisieren. Die Jugendverbandsarbeit ist ein zentraler Bereich der Kinder- und Jugendarbeit und wird durch das BMFSFJ mit erheblichen finanziellen Mitteln gefördert. Mein Ministerium fördert daneben schon jetzt viele Orientierungsangebote, die Eltern und pädagogischem Fachpersonal in der Medienerziehung helfen. Dazu gehört etwa die Initiative „Gutes Aufwachsen mit Medien“ und der Elternratgeber „Schau Hin! Was Dein Kind mit Medien macht.“

 

Katarina Barley leitet das Bundesfamilienministerium und führt seit dem 28. September 2017 die Geschäfte des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Die Juristin ist seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestags und war von 2015 bis 2017 Generalsekretärin der SPD. Das Interview ist im Rahmen der „Ich kann was!“-Initiative entstanden.