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Ekkehard Winter

Thinktank fürs MINT-Lernen

Ekkehard Winter über die Lehrerfortbildung der Zukunft

Die gute Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften der MINT-Fächer gehörte von Beginn an zu den Arbeitsschwerpunkten der Telekom-Stiftung. Knapp 20 Millionen Euro hat die  Stiftung seit ihrer Gründung 2003 für Projekte rund um die Lehrerbildung an deutschen Hochschulen aufgewendet. Welche Rolle das Thema in der digitalen Welt spielt und welche Vorhaben die Stiftung in Zukunft in diesem Feld umsetzt, erläutert Geschäftsführer Dr. Ekkehard Winter.


Herr Winter, die gute Bildung von MINT-Lehrkräften war von Beginn an ein Anliegen der Telekom-Stiftung – warum? 
Das hat im Wesentlichen zwei Gründe: Zunächst gibt es ohne gute Lehrer keine gute Bildung. Vor allem in den MINT-Fächern, die bei Schülern häufig als zu schwer und zu theoretisch gelten, sind gute Lehrer, die Begeisterung für diese Themen wecken, das A und O. Der zweite Grund ist ein systematischer: Als die Stiftung gegründet wurde, herrschte in der deutschen Hochschullandschaft Einigkeit darüber, dass die Lehrerbildung eine der größten Schwachstellen des Systems ist und neu geordnet werden muss. Hier hat sich in den vergangenen 13 Jahren viel getan, aber nach wie vor ist die deutsche Lehrerbildung kein Glanzstück. Daher arbeiten wir auch heute noch an einer Verbesserung der Strukturen. 


Was sind Ihrer Meinung nach heute die drängendsten Probleme in der Lehrerbildung?
Da ist an vorderer Stelle sicher die Digitalisierung zu nennen. Der Umgang mit digitalen Medien findet in der Ausbildung angehender Lehrkräfte bislang deutlich zu wenig Raum. Das muss sich dringend ändern, denn wie sollen die Lehrer den Schülern digitale Kompetenzen vermitteln, wenn sie selbst keine oder keine ausreichenden Kenntnisse haben? Eine weitere Herausforderung ist die kontinuierliche professionelle Entwicklung nach der Ausbildung. Wie wir über eine repräsentative Forsa-Umfrage ermittelt haben, sind die Lehrkräfte Fortbildungen gegenüber sehr aufgeschlossen und haben auch Freiräume dafür, allerdings kann nur knapp ein Viertel der Befragten das neu erworbene Wissen anschließend im Unterricht anwenden. Da muss man sich schon fragen: Wie kann das sein?


Wie kann das denn sein? 
Das liegt offenbar vor allem daran, dass Lehrerfortbildungen noch immer – bei allen positiven Veränderungen, die festzustellen sind – häufig eintägig, ohne Anbindung ans Kollegium und fernab der Unterrichtspraxis stattfinden. Dabei gibt es genügend wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, dass dies wenig zielführend ist. Solche einmaligen Impulse von außen gehen im Schulalltag leicht wieder unter. Nachhaltige Veränderungen bleiben meistens aus. Dabei sollen Fortbildungen doch genau das sein: Impulse für Veränderungen, für Weiterentwicklung. Damit das passiert, sind die Unterstützungsangebote, die wir bieten, anders angelegt. Ein Beispiel dafür sind die Kurse des DZLM, des Deutschen Zentrums für Lehrerbildung Mathematik: Sie sind modular aufgebaut, haben Selbstlernphasen und bieten Anregungen, wie Lehrkräfte mit Kollegen am Thema weiterarbeiten können. Und das ist ganz wichtig: Dass Lehrkräfte sich nicht nur an einem Tag, sondern über einen längeren Zeitraum hinweg mit bestimmten Themen auseinandersetzen und das Ganze möglichst im Team, in sogenannten professionellen Lerngemeinschaften. Wenn man so will, eine Art „lebenslanges Lernen“ bezogen auf die Unterrichtspraxis. 


Lehrer, die mit Kollegen zusammenarbeiten – das ist nicht das Bild des „Einzelkämpfers“, das man gemeinhin von Lehrern hat … 
…und das größtenteils überholt ist. Lehrer arbeiten durchaus gern und gut zusammen. Das wissen wir spätestens seit dem Internationalen Lehrergipfel 2016. Aus diesem Anlass haben wir gemeinsam mit anderen Stiftungen bundesweit Lehrkräfte befragt, wie sie zum Thema Kooperation stehen. Die Antwort war grundsätzlich positiv. Leider ist es so, dass sich die Zusammenarbeit meistens noch auf den Austausch über Schüler oder Materialien bezieht, weniger auf die gemeinsame Konzeption von Unterrichtsinhalten oder das kollegiale Coaching. Hier ist sicherlich noch viel Luft nach oben. Und die Digitalisierung bereitet den Boden dafür.


Können Sie das konkretisieren?
Die Digitalisierung macht die Zusammenarbeit aus vielen Gründen schlicht einfacher. Wenn sich Lehrer früher über Materialien für den Unterricht ausgetauscht haben oder sich diese gegenseitig zur Verfügung stellen wollten, ging das nur über das Ausdrucken und Kopieren. Gemeinsames Arbeiten an einer Unterlage war praktisch gar nicht möglich. Heute ist es so, dass Kollegien über Schulnetzwerke oder Lernplattformen Materialien sehr einfach austauschen oder sogar gemeinsam Unterrichtseinheiten erarbeiten können. Und natürlich wird über digitale Plattformen auch die Zusammenarbeit mit Eltern und Schülern einfacher. Hier bietet die Digitalisierung also eine große Bandbreite an Möglichkeiten wie man mit Kollegen desselben Fachs oder aber auch fächer- und sogar schulübergreifend kooperieren kann. 


Die Telekom-Stiftung ist sehr lange mit dem Thema Lehrerbildung beschäftigt, gibt es für die Zukunft neue Pläne?
Wie schon erwähnt, ist die MINT-Lehrerbildung in Deutschland längst nicht auf Spitzenniveau. Hier bleibt also noch einiges zu tun und wir können auf einer breiten Grundlage und viel Erfahrung aufsetzen. Ausgehend von unseren sehr erfolgreichen Hochschulverbünden werden wir 2017 einen neuen Entwicklungsverbund ausschreiben. Hier soll es vor allem darum gehen, Szenarien für das MINT-Lehren und -Lernen der Zukunft zu entwickeln. In Zusammenarbeit mit externen Experten für das Thema digitales Lernen soll der Verbund wie ein Thinktank arbeiten und wirken. Wir erwarten uns davon Impulse für die Lehrerausbildung und den Unterricht von morgen, aber auch für die fachdidaktische Forschung. Wir sind sicher, der Lehrerbildung auch damit wieder einen entscheidenden Schritt nach vorn zu ermöglichen.


Die Lehrerbildung der Zukunft ist auch eines der Themen des Global Learning Council Summits am 29. und 30. Juni in Berlin. Zu diesem Gipfeltreffen haben internationale Experten, darunter Ekkehard Winter, Eckpunkte für eine erfolgreiche digitale Tranformation der Bildung veröffentlicht, den „Berlin Consensus“.

Foto: Deutsche Telekom Stiftung