
Technik, die begeistert(e)
Nicht ohne meinen Walkman: Dinge, von denen Jugendliche früher nicht die Finger lassen konnten.
Surfen, daddeln, texten: Von ihren Smartphones können Jugendliche heute kaum noch die Finger lassen. Da brauchen Eltern starke Nerven. Doch es gab auch schon früher Ablenkungshilfen, die regelmäßig den Haussegen in Schieflage brachten. Wir erinnern uns...
UND ES HAT „PONG“ GEMACHT
Es war der erste offizielle Nebenjob des Fernsehgerätes: Als in den 70er-Jahren Konsolen aufkamen, die die Mattscheibe für ihre Tele- oder Videospiele zweckentfremdeten, war es vorbei mit der Heimatfilm-Idylle im Wohnzimmer. Statt gemeinsam auf dem Sofa fernzusehen, zockten Familienmitglieder auf einer virtuellen Tischtennisplatte. „Pong" hieß das zwar nicht erste, wohl aber populärste Telespiel. Jeder Spieler bediente einen senkrechten weißen Balken, der einen Punkt abwehren und ins gegnerische Feld zurückschlagen musste. Klingt heute nicht mehr so aufregend, war aber damals der reine Wahnsinn, dem ganze Ferientage zum Opfer fallen konnten. Als Telespiele im Westen der Republik schon auf dem Dachboden landeten, folgte in den 80er-Jahren noch ein kleiner Hype in der DDR.
„Ich erinnere mich, dass es Anfang der 80er-Jahre auch in der DDR eine Spielkonsole namens RFT-Telespiel gab. Damit konnte man eine Art Ping-Pong oder Tennis spielen. Besonders spannend war es, einen unwirklichen Abprallwinkel und eine höhere Geschwindigkeit einzustellen! Allerdings hatten wir die Konsole nicht zu Hause – sie stand in einem Mathe-Klub, den ich in den Ferien besuchte, und wurde von uns heiß geliebt.“
Karsten Schwanke erklärt Fernsehzuschauern als Meteorologe mit Leidenschaft das Wetter und moderiert Wissenschaftssendungen.
BROT UND SPIELE
Ja, auch in den 80er-Jahren gab es schon Computer, die in ein Kinderzimmer passten. Der populärste war damals der C64 von Commodore mit geschätzten 12 bis 30 Millionen verkauften Exemplaren. Aufgrund der wulstigen Form des Heim-PCs, der alle Technik in der etwas moppeligen Tastatur untergebracht hatte, nannten seine User ihn liebevoll „Brotkasten“. Natürlich konnte der C64 damals theoretisch zum Schreiben oder sogar für Tabellenkalkulation herhalten, aber zu 99 Prozent dürften Spiele wie Pac-Man den Mini-Prozessor (64 Kilobyte Arbeitsspeicher!) aufgeheizt haben.
„Als ich 12 oder 13 Jahre alt war, kaufte mein Vater einen IBM-PC. Ich hätte natürlich lieber einen C64 gehabt. Neben den Spielen, die einen großen Reiz auf mich ausübten, war ich fasziniert davon, dass man kreativ werden und mit dem Computer eigene Ideen verwirklichen konnte. Ich brachte mir selbstständig das Programmieren bei – seitdem lässt mich die Faszination des Geräts nicht mehr los!“
Christian Spannagel ist Mathematik-Professor an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und bekennender Gothic-Anhänger.
OH BOY!
Für Gleichstellungsbeauftragte wahrscheinlich der blanke Horror: Den Game Boy gab es nur in der männlichen Form. Die kleine Spielkonsole, die sich prima in Teenager-Hände fügte und in den Fingern mitunter Taubheitsgefühle verursachte, startete im Wendejahr 1989 ihren Siegeszug um die Welt. Knapp 120 Millionen Spiel-Jungs gingen bis 2006 über den Ladentisch und erfreuten ihre Besitzer mit dem quadratischen Display, auf dem sie meistens ebenso quadratische Bauklötze hin- und hermanövrierten. Tetris war nämlich das erfolgreichste Spiel. Ein bisschen Smartphone-Feeling nahm der Game Boy damals vorweg, denn mit ihm war es endlich möglich, auf dem Balkon, in der U-Bahn oder auf dem Schulhof zu daddeln.
„Ich habe mit 10 Jahren einen Game Boy bekommen und fand es total unglaublich, dass etwas so Kleines einen Monitor hatte und ich damit quasi überall spielen konnte – zuerst Tetris und später Super Mario. Da alle in meiner Familie verrückt nach ihm waren, habe ich mich mit meinem Game Boy oft auf der Toilette eingeschlossen.“
Nina Moghaddam betreibt einen erfolgreichen Do-it-yourself-Channel auf YouTube und moderiert TV-Sendungen wie "25 Jahre Super Mario".
MUSIK AUF DIE OHREN
Der deutsche Philosoph und Erfinder Andreas Pavel meldete 1978 eine „körpergebundene Kleinanlage für hochwertige Wiedergabe von Hörereignissen“ beim Patentamt an. In den Jahren zuvor hatte er seinen tragbaren Kassettenabspieler schon mehrfach der Industrie angeboten, ohne auf Interesse zu stoßen. Als Sony 1979 den Walkman auf den Markt brachte, begann ein Urheberrechtsstreit, der sich bis 2004 hinzog – sechs Jahre bevor Sony die Produktion einstellte. Das Mixtape konnte seine Besitzer immerhin gut 30 Jahre lang begleiten. Es war immer wieder überraschend, bei welchem Lieblingssong die Batterien schlappmachten.
„Für uns waren die für damalige Verhältnisse kleinen, handschmeichlerisch in Alu gehüllten Taschenspieler gewissermaßen ein Porsche für 14-Jährige. Noch Ende der 80er kosteten die besseren Modelle leicht mal 300 Mark – ziemlich viel für ein Taschengeld-Budget. Damals aber waren Walkmen immer auch ein Statussymbol, und zwar ein nicht minder mächtiges, als Handys es heute sind.“ (Spiegel Online, 24.10.2010)
Professor Christian Stöcker leitet den noch jungen Studiengang Digitale Kommunikation an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW).
FEED ME IF YOU CAN
Es hätte die Emanzipation auf dem Schulhof sein können, setzte sich aber nur kurz durch. Was dem Jungen sein Game Boy, war dem Mädchen das Tamagotchi. Ab 1997 kamen die kleinen eiförmigen Plastikgeräte in Deutschland auf den Markt und appellierten an die Mutterinstinkte ihrer jungen Userinnen. Die pixeligen LCD-Bildschirme konnten Küken schlüpfen lassen, die nun ständig per Knopfdruck mit virtuellen Körnern und Streicheleinheiten versorgt werden mussten. Leider piepten die fordernden Küken recht schrill, was den Familienfrieden regelmäßig aus dem Gleichgewicht brachte. Auch Tränen flossen immer wieder, denn vergaß die Tochter das Füttern des digitalen Haustierchens, starb dieses in seinem Plastikgehäuse. 30 Mark kostete diese erste Erfahrung mit dem Tod damals, der Hype ebbte hierzulande aber schon nach wenigen Monaten wieder ab.
„Mit 13 war meine Sehnsucht nach einem eigenen Haustier eigentlich schon wieder vorbei, da wurde sie durch ein Spielzeug noch einmal geweckt: das Tamagotchi. Das elektronische Küken war für meine Freundinnen und mich eine kurze Zeit lang die wichtigste Nebensache der Welt. Wir wurden gebraucht. Dafür vernachlässigten wir sogar die Schule. Das Gerücht, das Küken stürbe ein für alle Mal, wenn man es vergäße, durchschauten wir aber relativ fix.“
Meike Baars arbeitet als Redakteurin im Digital-Team bei der Neuen Osnabrücker Zeitung.
Der Artikel ist in Ausgabe 2-17 unseres Bildungsmagazins „sonar“ erschienen.
Illustrationen: Sergio Ingravalle, Fotos: Fotoseven, Nadine Dilly, privat, Sebastian Iscau, Jörn Martens/NOZ