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Tobias Renk von der Technischen Universität Hamburg

„Skepsis wich Begeisterung“

Wie führt man Hauptschüler an digitale Technologien wie den 3-D-Druck heran? Tobias Renk von der TU Hamburg spricht über seine Erfahrungen, die er im Projekt GestaltBar und in der Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern gesammelt hat.

Corona hat deutlich gemacht: Viele Schulen hinken bei der Digitalisierung hinterher. Wie können außerschulische Partner hier unterstützen, Herr Renk?
Digitale Technologien sind an Universitäten schon lange Alltag. Dieses Know-how können wir weitergeben – zum Beispiel durch Schulungen für Lehrkräfte. Das heißt aber nicht, dass Schulen digitale Bildung an Partner von außen delegieren sollten. Kooperati-onen dürfen nicht als Entschuldigung dafür herhal-ten, grundlegende Dinge wie Computer nicht anzuschaffen.


Sondern?
Ich denke, dass eine Unterstützung vor allem dort Sinn ergibt, wo es über das hinausgeht, was Grundausstattung sein sollte. Einen Lasercutter oder 3-D-Drucker anzuschaffen, lohnt sich für viele Schulen nicht. Hier liegen die Vorteile von Universitäten oder auch anderen außerschulischen Lernorten wie Fab-Labs – und Projekten wie der GestaltBar.


Warum haben Sie den Kurs in der Jugendetage veranstaltet und nicht im Fab Lab der Uni?
Die Universität ist gerade für Hauptschüler weit weg. Anders als Gymnasialschüler, die vielleicht schon ans Studieren denken, haben sie oft Hemmungen vor diesem akademischen Ort. Die Jugendetage und die Leute dort kennen sie dagegen. Da sind sie in ihrem Revier. Das bietet die Chance, einen niedrigschwelligen Einstieg in Themen zu schaffen, die die Jugendlichen bisher nicht auf dem Schirm hatten. Oder für zu kompliziert hielten.


Hat der Kurs diese Bedenken abgebaut?
Tatsächlich waren viele Schülerinnen und Schüler zu Beginn verschlossen, haben sich etwa nicht allein an die 3-D-Drucker getraut. Doch im Lauf der Zeit habe ich gemerkt, wie diese Skepsis überwunden wurde und der Begeisterung wich. Dass wir keine Noten vergeben haben, war dafür sicher zuträglich.
 


Inwiefern?
Das hat den Druck herausgenommen. Ohne das Gefühl, ständig unter Beobachtung zu stehen und sich am Ende in einer Prüfung beweisen zu müssen, ler-nen die jungen Leute ungezwungener. Sie merken: Hier sagt mir keiner, was ich als Nächstes tun muss, sondern ich kann einfach mal machen. Ich denke, viele haben dadurch eine innere Motivation entwickelt – und richtig Spaß an der Sache entdeckt.


Glauben Sie, dass Sie so auch Berührungsängste vor hochschulischen Angeboten nehmen konnten?
Inwiefern die Skepsis vor der Hochschule als Bildungsort abgenommen hat, kann ich schwer beurteilen. Aber die Angst vor dem Fachlichen konnten wir auf jeden Fall nehmen. Wir haben Inhalte von Elektrotechnik über Mathematik bis hin zu Konstruktion gestreift – und dafür bei vielen Interesse geweckt.


Woran machen Sie das fest?
Ich weiß zum Beispiel von einer Schülerin, die ein Praktikum in einer Firma gemacht hat, die sich mit der Konstruktion von Anlagen beschäftigt. Erst durch den 3-D-Druckkurs ist sie darauf gekommen, sich in diesem Bereich umzusehen. Das ist ein schöner Erfolg.


Was nehmen die Jugendlichen außer neuem Interesse für Digitales und Technik mit?
Die GestaltBar lebt vom Learning by Doing. Außerdem arbeiten die Teilnehmenden in Teams zusammen. In der Schule haben sie vielleicht schon mal in kleineren Gruppen gearbeitet. In der GestaltBar aber erfahren sie, wie es ist, über eine längere Zeit gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten. Das fördert Kompetenzen wie Teamfähigkeit und Organisationstalent. Zudem hat der Kurs, wie gesagt, die Angst vor Unbekanntem genommen. Hoffentlich können die Schülerinnen und Schüler das künftig auf andere Situationen übertragen: offen für Neues zu sein und sich etwas zuzutrauen.


Wie wichtig war der Betreuer der Jugendetage für den Erfolg?
Sehr. Zum einen, weil die Jugendlichen ihm vertrauen. Der Betreuer hat aber nicht nur einen pädagogischen Part übernommen, sondern mir auch hilfreiche Anregungen gegeben. Er hatte keine Vorkenntnisse im 3-D-Druck und hat mir zum Beispiel gezeigt, dass ich manches niedrigschwelliger angehen muss.


Und welche Rolle spielte die Schule?
Eher eine organisatorische. Das lag zum einen an der personellen Situation, aber auch daran, dass das Projekt damals noch im Aufbau war. Für die Zukunft wünsche ich mir eine stärkere inhaltliche Einbindung seitens der Schule. Zum Beispiel könnten Lehrkräfte im Unterricht Parallelen ziehen zu dem, was wir machen. Das würde den jungen Leuten weiteren Mehrwert bringen. In anderen GestaltBars funktioniert das bereits.


Haben Sie das Gefühl, dass der Wille zur Kooperation bei Schulen und anderen Lernorten zunimmt?
Unsere Universität ist im MINT-Forum aktiv, wo sich Akteure der MINT-Bildung aus Hamburg vernetzen. Da habe ich tatsächlich den Eindruck, dass das Thema Zusammenarbeit einen immer höheren Stellenwert bekommt. Beispiele wie die GestaltBar zeigen ja auch, wie sinnvoll es ist, die einzelnen Bildungsinseln, die es ja bereits gibt, zu vernetzen. Und zwar nicht nur aus inhaltlicher Sicht. Viele Angebote werden so für bestimmte Zielgruppen erst zugänglich.Welche Bedeutung haben in diesem Zusammenhang Förderungen? Eine große, nicht nur aus finanziellen Gründen. Institutionen wie die Telekom-Stiftung geben mit ihren Projekten neue Impulse. Erst dadurch kommt es oft zu fruchtbaren Kooperationen.


Das Interview ist in unserem aktuellen Jahresbericht 2020/2021 („Bildung gemeinsam gestalten“) erschienen.

Fotos: Eva Häberle, privat