
„Seiteneinsteiger sollten zum System Schule dazugehören“
Drei Fragen an Dr. Ekkehard Winter zur MINT-Lehrkräfteprognose 2030/31
An den weiterführenden Schulen in Nordrhein-Westfalen werden im Schuljahr 2030/31 qualifizierte MINT-Lehrkräfte massiv fehlen – das ist das Ergebnis einer Studie des Bildungswissenschaftlers Dr. Klaus Klemm im Auftrag der Telekom-Stiftung. Für die anderen Bundesländer sind die Aussichten, so Klemm, aber auch kaum besser. Wie lässt sich dem begegnen? Ein Gespräch mit Stiftungsgeschäftsführer Dr. Ekkehard Winter über Studienbedingungen, Quer- und Seiteneinsteiger und außerschulische Lernorte.
Was müsste sich in der Ausbildung der MINT-Lehrkräfte ändern?
Winter: In den MINT-Studiengängen werden die spezifischen Anforderungen der Lehrkräfte zu wenig berücksichtigt. Wer die Sekundarstufe anstrebt, hört oft dieselben Vorlesungen bei denselben Fachprofessoren wie diejenigen, die das Fach im Vollstudium studieren. Sie werden dort wie Studierende 2. Klasse behandelt und zugleich nicht angemessen auf ihre zukünftigen Aufgaben vorbereitet. Um das zu ändern, brauchen wir dringend (wieder) mehr Fachdidaktiker, müssen dafür mehr Stellen an den Hochschulen schaffen und den fachdidaktischen Nachwuchs fördern.
Welche Rolle sollten Quer- und Seiteneinsteiger spielen?
Winter: MINT-Quer- und Seiteneinsteiger sollten zum normalen System Schule dazugehören und nicht nur als eine vorübergehende Notlösung gesehen werden. Sie bringen spezifische Kompetenzen und Praxiserfahrungen mit, die nicht nur den Unterricht bereichern, sondern auch im Zusammenspiel mit den anderen Lehrkräften viele neue Unterrichtsansätze anregen können und so wesentlich zur Schulentwicklung beitragen. Natürlich bedürfen sie einer fundierten pädagogischen Ausbildung, um diese Rolle spielen zu können.
Können außerschulische Lernangebote Teil der Lösung sein?
Winter: Die Klemm-Studie bestätigt, dass es für die Fächer Technik und Informatik praktisch keine Lehrkräfte gibt. Und es wird auch sehr schwer sein, welche zu gewinnen – erst recht nicht kurzfristig. Hier sind ganz neue Ansätze und Ideen gefragt, und die findet man sozusagen vor den Toren der Schulen: Es sind die außerschulischen Lernorte mit ihren vielfältigen Angeboten. Hier können junge Leute die Praxis viel realer kennenlernen als je an einer Schule. Diese Angebote sollten sich die Schulen genauer ansehen und prüfen, welche davon als Anreicherung oder sogar curricular verbindlich in den Unterricht integriert werden können. Ein Beispiel, dass und wie das erfolgreich gelingen kann, ist unsere Junior-Ingenieur-Akademie.
Foto: Nobert Ittermann