
„Lehrkräfte kontinuierlich und professionell fit machen für Digitales“
Dr. Ramona Lorenz über die Ergebnisse der Studie „Schule digital - Der Länderindikator 2021“
Wie weit fortgeschritten ist Deutschland beim schulischen Lehren und Lernen mit digitalen Medien? Antworten auf diese spannende Frage liefert die Studie „Schule digital – der Länderindikator 2021“. Die Telekom-Stiftung hat den Bundesländervergleich zum insgesamt vierten Mal in Auftrag gegeben. Im Interview kommentiert Studienleiterin Dr. Ramona Lorenz vom Institut für Schulentwicklungsforschung der Technischen Universität Dortmund die Ergebnisse.
Frau Dr. Lorenz, welche Ergebnisse des Länderindikators 2021 finden Sie besonders bemerkenswert?
Ramona Lorenz: Der Länderindikator zeigt, wie sich die schulische Situation des Lehrens und Lernens mit digitalen Medien aus der Sicht von Lehrkräften darstellt – und dies auch im Vergleich zu den vorherigen Erhebungen der Jahre 2015 bis 2017. Dabei sind insgesamt tendenziell Entwicklungen zu sehen: angesichts der Pandemie-Situation insbesondere eine Zunahme der Nutzungshäufigkeit digitaler Medien. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Trend auch nach der Re-Organisation des Schulbetriebs ohne Phasen mit Distanzunterricht dauerhaft bestehen bleibt und digitale Medien weiterhin intensiver genutzt werden. In anderen Bereichen sind die Entwicklungen nicht so deutlich.
Wie steht es um die Kompetenzen der Lehrkräfte bei der Nutzung digitaler Medien im Unterricht?
Lorenz: Bemerkenswert ist der Befund zu den Fortbildungsaktivitäten der Lehrkräfte. Wenn es um Digitalisierungsprozesse in der Schule geht, hat die Bildungspolitik stets betont, dass eine systematische Qualifikation der entscheidende Faktor ist, damit die Lehrerinnen und Lehrer ihrer Aufgabe nachgehen können, die medienbezogenen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler gezielt zu fördern. Dennoch gibt – grob betrachtet – lediglich etwa die Hälfte der befragten Lehrkräfte an, in den vergangenen zwei Jahren an einer Fortbildung zum Einsatz digitaler Medien teilgenommen zu haben, ob in Präsenz oder per Webinar. Das ist angesichts der sich verändernden Bedingungen und Herausforderungen sehr prägnant und signalisiert die Notwendigkeit von bedarfsgerechten sowie handlungsorientierten Fortbildungsangeboten im Kontext der Digitalisierung.
Gibt es Ergebnisse, die Sie mit Blick auf die drei vorangegangenen Untersuchungen überrascht haben?
Lorenz: Seit der letzten Länderindikator-Studie 2017 sind vier Jahre vergangen und diverse Initiativen und Investitionsmaßnahmen von Bund sowie Ländern haben sich auf die Digitalisierung in Schule und Unterricht konzentriert. Das Pandemiegeschehen hat diesem Bereich einen zusätzlichen Schub verliehen. Dennoch sind die Fortschritte noch ausbaufähig und vielfach nicht auf einem Stand mit den Entwicklungen in anderen Ländern. Für die internationale Anschlussfähigkeit zu anderen Bildungssystemen bleibt weiterhin viel zu tun. Zudem ist die Lage auch innerhalb Deutschlands heterogen, was für Schülerinnen und Schüler ungleiche Chancen im Kontext der Digitalisierung bedeutet.
Hervorzuheben ist dennoch, dass positive Tendenzen zu sehen sind und die Entwicklungen in den Bundesländern, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten und unterschiedlichem Tempo, vorangehen. Diese Gesamtperspektive ist erfreulich.
Welchen Handlungsbedarf, welche Forderungen an die Politik leiten Sie aus den Umfragewerten ab?
Lorenz: Grundlegend ist weiterhin die Sicherung der Rahmenbedingungen: eine ausreichende, stabile und zuverlässige IT-Ausstattung ist Voraussetzung dafür, dass Lehrkräfte digitale Medien lernwirksam im Fachunterricht einbinden und die digitalisierungsbezogenen sowie fachlichen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler fördern können. Eine unzureichende Ausstattung wirkt sich hemmend auf die Nutzung aus. Insbesondere mit dem Internetzugang an ihren Schulen sind die Lehrkräfte jedoch weniger zufrieden als noch vor vier Jahren. Dies zeigt, dass die Entwicklungen hier nicht mit den veränderten technischen und pädagogischen Anforderungen an die Ausstattung mithalten. Unter den Veränderungen, die durch Investitionsmaßnahmen in den Schulen spürbar werden, ist der Glasfaser- beziehungsweise Breitbandausbau derjenige, der von den wenigsten Lehrkräften wahrgenommen wird.
Und weiter?
Lorenz: Eine zweite wesentliche Bedingung ist die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften, damit sie digitale Medien im Unterricht einsetzen sowie digitalisierungsbezogene Schulentwicklungsaufgaben wahrnehmen können. Die Dynamik im Bereich der Digitalisierung erfordert eben nicht nur punktuelle Veranstaltungen, sondern eine Kontinuität im Bereich der Fortbildungen. Die Digitalität muss die Schul- und Unterrichtskultur systematisch mitprägen; vereinzelte Kanäle oder einzelne Medienexperten im Kollegium reichen hier nicht aus. Begleitet von ministeriellen Vorgaben in den Ländern hinsichtlich Datensicherheit, bereitgestellter Plattformen und geprüfter Materialien kann die Schule einen Schritt weiter gehen im Zeitalter der Digitalität und deren Potenziale besser nutzbar machen. Doch dazu sind strukturelle Veränderungen notwendig: allen voran die kontinuierliche professionelle Qualifikation der Lehrkräfte, um auf die Umsetzung der digitalisierungsbezogenen Aufgaben in der Schule gut vorbereitet zu sein.
Interview: Karsten Taruttis
Foto: privat