
Kann man Glück lernen?
Thomas de Maizière über die Frage, welche Kompetenzen junge Menschen für das 21. Jahrhundert brauchen
Kann man Glücklichsein lernen? In der Schule, genauso wie Deutsch, Mathe, Erdkunde und Französisch? In Indien jedenfalls hat vor einiger Zeit der Dalai Lama höchstselbst den Lehrplan für das Fach Happiness vorgestellt. Und auch bei uns in Deutschland unterrichten einige Schulen Glück. Als ich zum ersten Mal von diesem Ansatz gehört habe, war ich nicht wirklich überzeugt. Unser Leben besteht nun mal aus Höhen und Tiefen, ohne dass wir immer darauf wirklich Einfluss haben, finden Sie nicht? Wenn überhaupt, so meine Meinung, kann man sich sein Glück ein Stück weit erarbeiten. Aber ein Schulfach Happiness – da überwog bei mir bislang dann doch die Skepsis.
Bei einer Veranstaltung der Deutsche Telekom Stiftung in Düsseldorf habe ich kürzlich unter anderem mit der Psychologin Steffi Burkhart darüber diskutiert. Frau Burkhart ist Expertin für junge Leute hierzulande und bezeichnet sich selbst als „Sprachrohr der Generation Y“, derjenigen Alterskohorte also, der man nachsagt, dass ihr Happiness im Arbeitsleben heute wichtiger ist als Karriere. Den Austausch mit ihr fand ich besonders spannend, weil wir ja gerade wieder einen Generationenkonflikt erleben, der sich unter anderem in der „Fridays for Future“-Bewegung manifestiert.
Mir gefällt gut, dass die Jugend wieder für etwas kämpft. Was ich mir nur wünschen würde: Dass sich der Protest nicht bloß in Forderungen an uns Ältere erschöpft, sondern dass die junge Generation auch selbst Verantwortung übernimmt, in die Institutionen drängt und aktiv mithilft, die Herausforderungen in den Griff zu bekommen. Zugegeben, das ist natürlich mühsamer als Plakate zu malen und lautstark zu skandieren, die Politik müsse sich ändern. Aber aus meiner Sicht führt kein Weg daran vorbei. Deshalb mein Appell: Seid ehrgeizig, kommt in die Institutionen und Parteien, mischt euch ein, arbeitet hart und zeigt uns, dass ihr es könnt. Es ist ganz normal, dass die Jüngeren die Älteren irgendwann vom Thron stoßen, so ist nun mal der Lauf der Dinge.
Bei der Veranstaltung in Düsseldorf haben wir aber nicht nur über Generationenkonflikte diskutiert, sondern auch über Bildung. Dabei ging es zuvorderst um die Frage, ob wir unsere Kinder und Jugendlichen heute gut genug auf die Herausforderungen des 21. Jahrhundert vorbereiten. Die einhellige Meinung auf dem Podium war: nein, tun wir nicht.
Die Deutsche Telekom Stiftung hat sich in der Vergangenheit wesentlich für gute MINT-Bildung in Schulen und Kitas engagiert, also für eine bessere Vermittlung von Mathematik, Informatik, den Naturwissenschaften und Technik. Inzwischen sind wir überzeugt davon, dass es mit solchen fachlichen Kompetenzen allein nicht mehr getan ist. Warum? Ganz einfach: Unsere Welt ist heute so schnelllebig, die technologischen Veränderungen sind so rasant, teils disruptiv, dass niemand mehr ernsthaft voraussagen kann, welches Fachwissen Schulabgänger in zehn Jahren noch brauchen werden, um im Arbeitsleben bestehen zu können. (Ich habe kürzlich in einem anderen Beitrag beschrieben, welche Konsequenzen das für die Lehrkräfte haben könnte.) Wir wissen nicht, welche Jobs es dann noch gibt und welche neuen Tätigkeiten oder Berufsfelder hinzukommen werden.
Doch was folgt aus dieser Erkenntnis für unsere Stiftungsarbeit? Dass wir in unseren Vorhaben nicht mehr nur auf die Vermittlung fachlicher MINT-Kompetenzen achten, sondern dass gleichzeitig bestimmte überfachliche Fähigkeiten eine Rolle spielen werden. Kritisches Denken ist zum Beispiel solch eine Kompetenz, außerdem Urteilsvermögen, Kreativität, Kommunikationsstärke und die Fähigkeit, im Team zusammenzuarbeiten. Dass junge Leute diese Skills gezielt erwerben – das wollen wir als Stiftung künftig zusätzlich unterstützen.
Auch Resilienz, also die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und in schwierigen Situationen durchzuhalten, ist übrigens eine dieser überfachlichen Kompetenzen. Und damit wären wir fast wieder beim Schulfach Glück. Denn nichts Anderes ist doch das Ziel dieses Faches als Persönlichkeitsbildung und Stärkung der psychischen Widerstandskräfte. Die Kinder und Jugendlichen sprechen über Lebensplanung, üben sich in Achtsamkeit und Meditation und lernen dadurch sich selbst und ihre Stärken besser kennen. Das hat Steffi Burkhart in unserer Diskussion leidenschaftlich vertreten.
Ist das Glück? Nein, Glücklichsein lässt sich nicht erlernen. Aber dafür bereit zu sein, das vielleicht schon.
Foto: Jens Schicke / Deutsche Telekom Stiftung