
„Ich bin selbstständiger geworden“
Interview: Wie zwei Jugendliche das Lernen während Corona erlebt haben
Wie funktioniert Lernen in Zeiten von Corona? Um dieses komplexe Thema näher zu beleuchten, hat die Telekom-Stiftung gerade neue Befragungsergebnisse vorgelegt. Doch jeder Jugendliche hat diese schwierige Situation individuell ganz unterschiedlich erlebt. Im Gespräch berichten stellvertretend Jana (13) und Simon (16), wie sie die Herausforderungen des Lernens unter pandemischen Bedingungen gemeistert haben – und wo es gehakt hat. Beide Schüler besuchen die siebte beziehungsweise zehnte Klasse der Geschwister-Scholl-Gesamtschule in Dortmund-Brackel.
Wie seid Ihr mit den Corona-Einschränkungen in Eurer Schule zurechtgekommen?
Jana: Im ersten Lockdown vom März 2020 bis zu den Sommerferien hat der digitale Unterricht noch nicht wirklich funktioniert. In diesen drei Monaten hatten wir insgesamt nur zwei Videokonferenzen. Das hat sich aber mit dem neuen Schuljahr deutlich verbessert.
Simon: Bei mir war die Situation in dieser Zeit ähnlich: kaum Videokonferenzen und wir bekamen nur sehr wenige Aufgaben. Nach den Sommerferien wurde es auch bei uns besser.
Wie sah dieser Digitalunterricht bei Euch konkret aus?
Jana: Wir haben neben den Videokonferenzen viel mit Google Classroom gearbeitet. Darin waren für jedes einzelne Fach sowohl Aufgaben hinterlegt als auch Organisatorisches, wie etwa Ankündigungen von Videokonferenzen mit den entsprechenden Links, auf die man einfach nur klicken musste. Das hat sehr gut funktioniert. Einen bloßen Versand von Aufgaben per E-Mail gab es bei uns nicht.
Simon: Über dieses System konnten wir unsere erledigten Aufgaben direkt abgeben. Anschließend erhielten wir meist schnell Rückmeldungen, die entweder nur für den einzelnen Schüler oder für alle einsehbar waren – je nachdem, ob wir eine allgemeine Frage oder eine persönliche gestellt haben. Die Kommunikation mit unseren Lehrern hat auf diese Weise prima geklappt.
Wie gut konntet Ihr bei Euch zu Hause lernen: Hattet Ihr genug Ruhe und Zeit dafür?
Simon: Natürlich lässt man sich zu Hause leichter mal ablenken als in der Schule. Aber ich bin eigentlich ganz ordentlich mit der Situation zurechtgekommen.
Jana: Ich habe mein eigenes Zimmer, da hatte ich genug Ruhe zum Lernen.
Konntet Ihr einen eigenen Rechner oder ein Tablet nutzen?
Simon: Mein jüngerer Bruder, der auch auf meine Schule geht, und ich haben unsere eigenen Computer.
Jana: Für das Homeschooling habe ich von meinen Eltern extra einen eigenen Computer bekommen. Damit hat es dann hervorragend funktioniert. Ansonsten konnten sich Schüler, die keinen eigenen Rechner besaßen, von unserer Schule iPads ausleihen.
Wie gut hat die Technik beim digitalen Fernunterricht funktioniert? Gab es Pannen oder Probleme?
Simon: Bei mir zu Hause hatte ich keinerlei Probleme. Nur bei den Videokonferenzen hat man manchmal gemerkt, dass das WLAN an der Schule ein wenig hakte.
Jana: Bei mir war es ähnlich, da ich zu Hause eine stabile LAN-Verbindung nutzen kann. Anders war dies bei Kindern und Jugendlichen in der Notbetreuung oder an unserer Schule, wo es mitunter technische Schwierigkeiten mit der kabellosen Internetverbindung gab.
Konntet Ihr dem digitalen Unterricht gut folgen? Gab es Fächer, in denen Ihr besonders gut oder schlecht vorangekommen seid?
Simon: Das hing stark von den jeweiligen Lehrern ab: Einige haben die Inhalte so wie früher an der Tafel mitgeschrieben und diese Texte dann gleich mit übertragen. Anderen Lehrern, die dagegen nur gesprochen haben, konnte man mitunter schlecht folgen, sobald die Internetverbindung kurzzeitig aussetzte.
Jana: Das würde ich auch so sagen: Entscheidend war die Technik und wie sie angewendet wurde. Viele meiner Lehrer haben in den Videokonferenzen zum Beispiel mit Google Docs gearbeitet. So konnte jeder Schüler das gemeinsame Dokument lesen und auch selbst etwas hineinschreiben. Das hat mir gut gefallen.
Wie würdet Ihr Eure Lehrer beurteilen: Haben sie Euch einen guten digitalen Unterricht angeboten?
Simon: Da gab es positive oder negative Beispiele. Manche Lehrer haben einfach nur Aufgaben verteilt, während andere regelmäßig Videokonferenzen veranstaltet haben. Ebenso war es mit den Rückmeldungen, die wir zu den abgegeben Aufgaben erhielten. Wenn man keine Antwort bekam, wusste man nicht, ob man eine Aufgabe richtig gelöst hatte oder nicht. Einige Lehrer haben dagegen zu jeder eingereichten Aufgabe sofort geantwortet. Das war klasse!
Jana: Dass man keine individuelle Rückmeldung zu den Aufgaben bekam, habe ich kaum erlebt. Wenn, dann nur in den Fächern, in denen wir die Aufgaben sofort gemeinsam in den Videokonferenzen gelöst haben.
Kamen Eure Lehrer mit der digitalen Technik gut zurecht?
Jana: Das kam ein wenig auf das Alter der Lehrer an. Während ältere Lehrer sich darauf beschränkten, Aufgaben einzustellen, haben jüngere und mittelalte Lehrer die Technik meist souverän genutzt.
Gab es auch Schüler, die bei dem Lerntempo nicht mitgekommen sind?
Simon: Klar, der persönliche Austausch mit den Lehrern oder das direkte Nachfragen, wenn man etwas nicht verstanden hat, das hat im Präsenzunterricht meiner Meinung nach besser funktioniert als mit digitalen Medien.
Jana: Das hing auch immer von der Initiative des einzelnen Schülers ab. Manche haben einfach nichts abgegeben und nicht reagiert auf E-Mails oder Rückmeldungen. Hier musste man als Schüler selbst aktiv werden.
Gibt es an Eurer Schule zusätzliche Lernangebote für schwächere Schüler?
Jana: In Mathematik gab es zum Beispiel Zusatzaufgaben, die man freiwillig lösen konnte.
Simon: Einige unserer Lehrer haben zusätzlich freiwillige Videokonferenzen angeboten. Dabei konnte man noch einmal Lerninhalte nacharbeiten, die man zuvor nicht verstanden hatte. Darüber hinaus gab es an unserer Schule eine Notbetreuung für Kinder und Jugendliche, die bei sich zu Hause nicht über die notwendigen technischen Voraussetzungen verfügten oder keine ruhigen Arbeitsbedingungen hatten.
Wie haben sich Eure Schulnoten seit Corona entwickelt?
Simon: Meine Noten sind stabil geblieben. Im Vergleich zum Vorjahr habe ich meinen Notendurchschnitt sogar weiter verbessern können.
Jana: Bei mir ist das ganz ähnlich. In den meisten Fächern konnte ich meine Noten halten, in einigen Fällen sogar noch verbessern.
Freut Ihr Euch auf eine Rückkehr zum „normalen“ Unterricht in der Klasse oder könntet Ihr Euch auch vorstellen, einige digitale Unterrichtselemente beizubehalten?
Jana: Ich mochte Homeschooling sehr gern. Ich könnte mir einen Wechsel zwischen Digital- und Präsenzunterricht im festen Zwei-Tage-Rhythmus gut vorstellen.
Simon: Einiges sollte man durchaus beibehalten, etwa dass Arbeitsblätter im digitalen Classroom hinterlegt und so leichter verfügbar sind.
Welche digitalen Medien nutzt Ihr in Eurer Freizeit besonders häufig? Hat sich das mit Corona noch einmal verändert?
Simon: Bei mir hat sich nicht viel geändert. Ich benutze weiterhin WhatsApp, Instagram und Youtube.
Jana: Das ist bei mir ganz ähnlich. Social Media wie etwa TikTok nutze ich eher selten.
Welche Freizeitangebote habt Ihr in der Corona-Zeit besonders vermisst?
Jana: Ich treibe gern Sport, vor allem Reiten und Schwimmen. All das war acht Monate lang kaum möglich.
Simon: Ich spiele Tischtennis im Verein. Das war seit dem Herbst 2020 leider nicht mehr machbar. Umso mehr freue ich mich darauf, wenn die Saison nach den Sommerferien wieder losgeht.
Welche Tipps würdet Ihr euren Eltern, Lehrern und eurer Schule geben, was sie in Zukunft besser machen sollten?
Simon: Ich wünsche mir, dass alle Lehrer konsequent eine Rückmeldung zu den eingereichten Arbeitszetteln geben. Zudem sollten sie Organisatorisches, wie zum Beispiel Termine für Videokonferenzen, immer in den digitalen Classroom eintragen.
Jana: Ich fände es gut, wenn alle Lehrer ihre Wochenpläne in den Classroom einstellen, damit wir Schüler einen verlässlichen Überblick zu den anstehenden Aufgaben und Terminen haben. Das fehlt uns leider bislang.
Wenn Ihr zurückblickt auf das letzte Schuljahr, wie fällt Euer ganz persönliches Fazit aus?
Jana: Mit der Technik, besonders mit digitalen Lernplattformen, kenne ich mich jetzt deutlich besser aus. Außerdem habe ich es geschafft, gründlicher Vokabeln zu lernen.
Simon: Ich bin auf jeden Fall selbstständiger geworden und kümmere mich nun zum Beispiel selbst darum, dass ich Arbeitsblätter ausgedruckt im Unterricht nutzen kann.
Interview: Karsten Taruttis
Foto: Jürgen Schwarz / Deutsche Telekom Stiftung