
Gekommen, um mitzugestalten
Haitham Kazzaz lernt in der GestaltBar die Welt des Programmierens kennen. Das beflügelt den Schüler, einen Praktikumsplatz in der IT-Branche zu suchen. Mit Erfolg.
Haitham Kazzaz, 15 Jahre alt, 8. Klasse, will es wissen. Alles, was mit Computern, Programmieren und Software zu tun hat, fasziniert ihn. Der Schüler nimmt regelmäßig an der GestaltBar in Köln teil. In der Nachmittags-AG, die Jugendliche an digitale Technik heranführt, experimentiert er mit dem 3-D-Drucker und lernt programmieren. Er fragt sich: Wie ist es wohl, in der IT zu arbeiten? Das möchte er in einem Schulpraktikum herausfinden und schafft es tatsächlich, bei einem großen IT-Unternehmen einen Platz zu ergattern. Für Haitham ist das ein Riesenerfolg, denn vor knapp zwei Jahren lebte er noch in Damaskus, mitten im syrischen Krieg. Und Deutsch sprach er nicht ein einziges Wort. Nun sitzt er da, lächelt und schaut mit wachen blauen Augen auf einen Computerbildschirm. Ein Bürokomplex im Mediapark Köln, dritte Etage: Haitham Kazzaz beschäftigt sich gerade mit der Datenbanksprache SQL. „Mich interessiert, wie Codes funktionieren“, sagt der Schüler. Haitham verfolgt seine Ziele konsequent. Dass er hier in einem großen IT-Unternehmen zwei Wochen lang das Big-Data-Business erleben kann, verdankt er vor allem seiner Willenskraft.
2017 lebt Haitham Kazzaz noch zusammen mit Mutter und Schwester in Damaskus. Sein Vater ist zwei Jahre zuvor nach Deutschland geflüchtet. Die Familie hofft, dass sie nachkommen darf. „Wir hatten immer nur Angst“, sagt Haitham. Doch dann kommt endlich der ersehnte Bescheid und inzwischen wohnen alle zusammen in Köln. Haitham besucht jetzt die Ursula-Kuhr-Schule im Stadtteil Chorweiler. Dort lernt er in einer Vorbereitungsklasse Deutsch. „Schwer“, sagt er, „besonders diese Artikel.“
Doch er lernt schnell, begeistert sich vor allem für digitale Technik. Jeden Donnerstag nimmt er deshalb nachmittags in der Schule an der GestaltBar teil – einem Angebot, das die Deutsche Telekom Stiftung 2016 ins Leben gerufen hat. Ziel des Projekts ist es, Schülern der 7. und 8. Klassen digitale Kompetenzen zu vermitteln, unter anderem auch, damit sie später bessere Berufschancen haben. Das Vorhaben richtet sich ausdrücklich an Jugendliche aus dem Hauptschulbildungsgang. Denn gerade für diese Zielgruppe mangelt es an derartigen Werkstatt-Angeboten in Deutschland. Im Projekt kooperieren die Schulen mit Einrichtungen der Jugendhilfe sowie lokalen Partnern aus Handwerk und Unternehmen. Die Partner stellen Experten, die die Jugendlichen bei ihren digitalen Technikprojekten unterstützen. Haitham lernt in der GestaltBar, simple Computerbefehle zu programmieren, er setzt sich mit 3-D-Druck auseinander und entwirft mit dieser faszinierenden neuen Technik eine Handyhülle. „Mir macht das unglaublich viel Spaß“, sagt er.
Als in der Schule die Praktikumswochen anstehen, sucht er nach einem Platz. „Die meisten meiner Mitschüler wollten gerne in Kfz-Werkstätten arbeiten, ich wollte lieber dahin, wo es Computer gibt“, sagt er. Auch dieses Ziel erreicht der Junge aus Damaskus. Über einen Kontakt des Vaters erhält er die Möglichkeit, in die pmOne AG hineinzuschnuppern. Das Unternehmen hat sich auf künstliche Intelligenz und Big Data spezialisiert. Zwei Wochen lang schwebt Haitham dort im Computerhimmel. Mitarbeiter Ralf Bockholt steht dem 15-Jährigen während des Praktikums zur Seite. Zunächst bittet er ihn, Excel-Tabellen zu optimieren. Später darf Haitham sich mit Datenbanksprachen befassen. „Ich finde das alles total spannend“, sagt der Schüler. „Und ich mag, dass es hier so international ist.“ Sein Praktikumsbüro teilt er mit Indern, Syrern und Afghanen. So viele Nationen – und alle sind ein Team.
Haitham möchte später in der IT-Branche arbeiten. Er will den Realschulabschluss schaffen. Möglicherweise kann er später Informatik studieren? „Das wäre mein Ziel“, sagt er. In der digitalen Welt fühlt er sich wohl. Vielleicht auch, weil Codes etwas Universelles haben. Programmierer sprechen immer die gleiche Sprache.
In unserem Jahresbericht 2018/2019 porträtieren wir weitere Menschen, die wir auf ihrem Bildungsweg begleiten durften. Sie erzählen, wie die Telekom-Stiftung ihren Weg gekreuzt hat, wie sie durch uns zum Lernen inspiriert oder in ihrer Arbeit als Bildungsmacher unterstützt wurden.
Fotos: Sascha Kreklau