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Schülerin in der GestaltBar baut einen Bürstenroboter

„Ein super Einstieg“

OFFENER GANZTAG – Das Projekt „GestaltBar – die digitale Werkstatt“ der Deutsche Telekom Stiftung führt Schüler im Hauptschulbildungsgang an die Möglichkeiten der Digitalisierung heran. Den Rahmen dafür bietet der schulische Ganztag.

Vorsichtig verbinden die Schüler mithilfe eines heißen Lötkolbens die Batterie und den kleinen Motor über ein Kabel. Nur einer der 13 Achtklässler der Ursula-Kuhr-Schule in Köln, die an der AG GestaltBar teilnehmen, hat bislang schon einmal selbst gelötet. Für die anderen elf Jungen und das Mädchen ist die Erfahrung neu. Doch unter Anleitung von Stefan Hintersdorf von der Fachstelle für Jugendmedienkultur Köln lernen sie schnell, mit dem ihnen unbekannten Werkzeug umzugehen. Ihr Ziel: Sie wollen einen Bürstenroboter bauen. 

Im Zuge des Projekts kooperiert die Gemeinschaftshauptschule mit der Kölner Fachstelle. Ziel des Vorhabens ist es, Jugendliche praxisnah an digitale Technologien heranzuführen und ihnen erste Einblicke in technische Berufsbilder zu geben. Auf dem Programm stehen Kurse zu Themen wie Robotik, App-Entwicklung oder 3D-Druck. Die Stiftung richtet sich mit der GestaltBar speziell an Jugendliche im Hauptschulbildungsgang, um dem Mangel an entsprechenden Angeboten für diese Zielgruppe entgegenzutreten. In sechs deutschen Städten, in Hamburg, Berlin, Köln, Bonn, Frankfurt am Main und Hof, gibt es die GestaltBar bereits. Mittel- bis langfristig soll das Angebot ausgeweitet werden. Anne Stiels, Lehrerin für Informatik und Englisch, und Hava Hali, Pädagogische Mitarbeiterin im offenen Ganztag, unterstützen Stefan Hintersdorf in der AG. „Unsere Schüler sind sehr praktisch veranlagt“, sagt Anne Stiels, „die brauchen etwas, das sie anfassen können. Da ist das Projekt ein super Einstieg.“ Am Ende des zweiten AG-Tages haben alle einen Bürstenroboter gebaut, der – sobald angeschaltet – über den Boden wackelt und tanzt. 

Mit dem Ganztag eröffnen sich Bildungschancen insbesondere für benachteiligte Kinder und Jugendliche. „Vielen Kindern bleiben Anerkennung und Wertschätzung verwehrt. In keinem Land der Welt hängt der Bildungserfolg so stark von der sozialökonomischen Herkunft ab wie in Deutschland. Um dieser Entwicklung entgegen zu wirken, ist die Zuwendung zu jedem einzelnen Kind und seiner Lebenslage erforderlich. Gute Bildung das wichtigste Mittel zur Bekämpfung von Armut und sozialer Spaltung. Um die soziale Ungleichheit zu mindern, bedarf es zusätzlicher pädagogischer Konzepte, die das einzelne Kind und seine individuellen Bedürfnisse mehr in den Mittelpunkt rücken“, macht Carina Merth vom Ganztagsschulverband deutlich. Sie ist selbst Ganztagskoordinatorin einer verbundenen Grund-, Haupt- und Realschule im hessischen Brechen. Im Ganztag, der in den vergangenen 15 Jahren in Deutschland rasant ausgebaut wurde, bieten sich entsprechende Möglichkeiten zur Förderung. 

„Qualität entscheidend“ 
Tatsächlich, so zeigt auch die grundlegende „Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen“ (StEG), „leisten Ganztagsschulen einen wichtigen Beitrag zur psychosozialen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, indem sie das Sozialverhalten, die Motivation und ein positives Selbstbild fördern“. Aber auch hier heißt es: „Das setzt eine hohe pädagogische Qualität der Angebote voraus.“ Genau hier schließt die GestaltBar an, denn das Projekt verbindet die Entwicklung und Stärkung individueller Fähigkeiten mit der Vermittlung fachlicher und technischer Kompetenzen durch versierte Pädagogen. 

Im Zuge der GestaltBar-AG an der Ursula-Kuhr-Schule machen die Teilnehmer ihre ersten Schritte im Bereich Programmieren. Stefan Hintersdorf hat dafür die Programmiersprache Scratch gewählt. „Scratch ist eine grafische Programmiersprache und damit für Anfänger sehr gut geeignet“, so erklärt Hintersdorf. Zur Programmierung stehen den Schülern grafische Blöcke zur Verfügung, die wie Puzzle-Stücke zusammenpassen und die die Schüler untereinander zusammenfügen müssen. Dabei stehen die unterschiedlichen Farben der Blöcke für unterschiedliche Funktionen: Blaue Blöcke bedeuten etwa Bewegung. „Stück für Stück lernen die Jugendlichen grundlegende Programmierelemente kennen wie Schleifen, Bedingungen und Variablen.“ 

Wie wichtig es ist, Schülern Kompetenzen im Umgang mit der Digitalisierung zu vermitteln, unterstreicht auch Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE). „Die Teilhabe und Teilnahme an Verwaltung, Politik und Gesellschaft wird digitaler, wie zum Beispiel beim Diskutieren in den sozialen Medien oder dem Ausmachen von Terminen für das Bürgeramt. Zudem steigen für viele Ausbildungen und Berufe die Einstiegsvoraussetzungen an. Nicht mehr nur für darauf spezialisierte Berufe, sondern für nahezu jedes Arbeiten werden IT-Kenntnisse benötigt. Medienkompetenz ist daher Schlüsselfaktor für das weitere Leben. Hierfür müssen Kinder und Jugendliche aller Schulformen und -arten gleichermaßen durch den Staat gefördert werden“, sagt er. 

Dabei gibt es zweifellos Nachholbedarf. Die GestaltBar bietet den Teilnehmern einen niedrigschwelligen Einstieg in den reflektierten, aber vor allem aktiven und kreativen Umgang mit digitalen Medien. Und der gelingt. Mit Scratch haben die Schüler der Ursula-Kuhr-Schule sogar bereits ein kurzes Computerspiel entwickelt. Die Aufgabe: innerhalb eines festgelegten Zeitraums so oft wie möglich eine auf dem Bildschirm auftauchende Krabbe fangen, ohne dabei auf den hin und wieder auftauchenden Hai zu klicken.

Autoren: Anna Hückelheim, Andrej Priboschek / Foto: Jürgen Schwarz