
„Ein Laptop macht noch keinen guten Unterricht – ein Buch auch nicht“
DIGITALE MEDIEN – Der frühere Leiter der Europaschule Bornheim, Christoph Becker, war einer der Geburtshelfer beim Projekt Schule interaktiv der Deutsche Telekom Stiftung. Im interview blickt er zurück.
DIE DEUTSCHE TELEKOM STIFTUNG WIRD IN DIESEM JAHR 15 JAHRE ALT. DER BEITRAG ERSCHEINT ANLÄSSLICH DIESES JUBILÄUMS.
2005 ging das Projekt „Schule interaktiv“ an den Start. Was hat damals für Sie den Ausschlag gegeben, sich mit Ihrer Schule bei dem Projekt zu engagieren?
Schon im Vorfeld war sich unser Lehrerkollegium einig, dass alle unsere Schülerinnen und Schüler eine Grundbildung in Sachen Digitale Kompetenzen mit auf den Weg bekommen sollten. Als wir dann von dem geplanten Projekt der Telekom-Stiftung hörten, war uns sofort klar, dass wir diese Chance ergreifen wollten. Denn bislang hing ein Unterricht mit digitalen Medien immer davon ab, wie aufgeschlossen oder technisch versiert der einzelne Lehrer war. Und so kamen bereits einige Schüler mit den neuen Methoden und Konzepten in Berührung, während andere leer ausgingen. Mit der Teilnahme am Projekt Schule interaktiv wollten wir sicherstellen, dass alle Schüler – unabhängig von den Jahrgängen oder den Schulfächern – von den neuen Lern- und Lehrmethoden profitieren.
Wie waren die ersten Reaktionen der Lehrer, Schüler und Eltern nach dem Projektstart?
Unsere Schülerinnen und Schüler und deren Eltern äußerten sofort begeistert. Die große Mehrzahl unserer Lehrer war ebenfalls bereit, diesen Weg zu gehen. Aber es gab durchaus auch skeptische Stimmen im Lehrerkollegium, die ein unpersönliches Lernen befürchteten. Zudem bedeutete der Unterricht mit digitalen Medien ja für viele Neuland – und damit verbunden einen großen Aufwand in puncto Fortbildungen. Gerade beim Thema IT mussten wir auch eingestehen, dass uns die Schüler mitunter ein wenig voraus waren. Wir haben von Anfang an all diese Bedenken ernst genommen und entsprechend darauf reagiert.
Was hat Sie während der fünfjährigen Projektlaufzeit am meisten überrascht?
Dazu gehört sicherlich, dass dieses Projekt nicht nur einzelne Aspekte des Unterrichts, sondern das gesamte Schulleben berührt hat: von der Personalentwicklung über Organisationsfragen bis zur Unterrichtsgestaltung.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Das Team aus Medienpädagogen der Technischen Universität Darmstadt unter der Leitung von Professor Werner Sesink hat uns zum Beispiel mit der Frage konfrontiert: Was ist überhaupt guter Unterricht? Alle unsere Lehrer – auch die äußerst erfahrenen Kolleginnen und Kollegen – mussten neue Antworten auf diese Frage finden. Schnell wurde uns klar, dass es hier nicht um technische Ausstattung, sondern um pädagogische Konzepte geht. Um es auf den Punkt zu bringen: Ein Laptop macht noch keinen guten Unterricht, ein Buch übrigens auch nicht. Was zählt, ist vielmehr das gelungene Zusammenarbeiten von Lehrern und Schülern.
Worauf sind Sie rückblickend besonders stolz?
… dass Schule interaktiv bis zum heutigen Tag als gemeinschaftliches Projekt weiterlebt. Unser Engagement war kein Strohfeuer. Wenn ich heute auf die Schullandschaft in Nordrhein-Westfalen blicke, sehe ich zahlreiche Schulen, die unsere Impulse aufgenommen und weiterentwickelt haben. Nach Ablauf der Projektphase hat die Telekom-Stiftung dafür gesorgt, dass unsere Arbeitsergebnisse von den Kompetenzteams der Regierungsbezirke aufgegriffen wurden. Dazu gehört zum Beispiel, dass eine Entwicklung vor allem dann besonders nachhaltig ist, wenn Schulen über einen längeren Zeitraum zusammenarbeiten und ihre konkreten Ziele im Alltag gemeinsam verfolgen.Ein weiteres Beispiel sind die internen Multiplikatoren: Kolleginnen und Kollegen, die über ein besonderes Fachwissen – zum Beispiel zu Smartboards – verfügen, geben ihr Know-how an interessierte Kolleginnen und Kollegen auf kurzem Wege in ihren Freistunden weiter. Diese Weitergabe von Kompetenzen klappt ganz unbürokratisch und schnell. All dies finde ich heute in anderen Schulen wieder. Insofern war das Projekt in ganz vielen Bereichen ein Trendsetter. Übrigens verdanken wir den 2. Platz beim Deutschen Schulpreis auch dem Projekt Schule interaktiv.
Wie beurteilen Sie dabei die Rolle der Deutsche Telekom Stiftung?
Bei sämtlichen Prozessen war die Telekom-Stiftung ein absoluter Katalysator. Die Stiftung war als Teil der Steuergruppen in den Schulen präsent und hat sich als zuverlässiger Partner erwiesen. All die Sorgen, die wir hatten – was würde passieren, wenn sich die Stiftung nach Projektende wieder zurückzieht? – waren unbegründet. Denn das Projekt hat in erster Linie dafür gesorgt, dass sich die Einstellung aller Beteiligter nachhaltig gewandelt hat. Denn hier geht es weniger darum, welche Hardware vor Ort verfügbar ist.
Was erscheint Ihnen heute bemerkenswert an dem Projekt?
Mich überrascht es mehr denn je, dass die meisten Schulen immer noch keinen System-Administrator zur Verfügung gestellt bekommen, der garantiert, dass die benötigte Technik auch voll einsatzfähig ist. Hier hätte ich vermutet, dass wir – 15 Jahre nach dem Start solcher Pionierprojekte wie Schule interaktiv – mittlerweile besser aufgestellt sind. Wenn wir wirklich wollen, dass Lehrkräfte flächendeckend neue Medien in ihrem Unterricht benutzen, müssen wir sicherstellen, dass sie auf eine funktionierende Technik vertrauen können.
Christoph Becker ist heute Dezernent in der Schulverwaltung der Bezirksregierung Köln.
IMPRESSIONEN: 15 JAHRE DEUTSCHE TELEKOM STIFTUNG
Autor: Karsten Taruttis / Fotos: Deutsche Telekom Stiftung