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Illustrierte Szene eines Unterrichts

Digital, aber nicht nur

Wie sieht der MINT-Unterricht der Zukunft aus? Eine Spurensuche.

Ein Skater rast auf eine Rampe zu, springt hoch und landet mit voller Wucht wieder auf dem Asphalt. Hier ist kinetische Energie am Werk. Und das Interesse von Schülern geweckt. Denn mit einem Skater können sie sich besser identifizieren, als mit einem herunterfallenden Gewicht. Mit einer Simulationssoftware steigen die Schüler jetzt tiefer in das Thema ein. Per Mausklick verändern sie beliebige Parameter des Sprungs und beobachten, wie sich die Energieverhältnisse bei der Landung des Skaters verändern.

Ton de Jong
Ton de Jong von der Universität Twente ist Projektkoordinator von Go-Lab.

Dieses Beispiel vom Einsatz eines digitalen Lernprogramms stammt aus der Datenbank des „Global Online Science Lab“ (Go-Lab). Das ist ein Web-Portal der Europäischen Union – und sozusagen eine Ideensammlung für neuartigen MINT-Unterricht. Im Go-Lab können Lehrer aus der ganzen Welt von den Erfahrungen ihrer Kollegen profitieren und Konzepte für den eigenen Unterricht übernehmen. „Die Idee dahinter ist, Lehrern die Möglichkeit zu geben, ihren Unterricht spannender zu machen für ihre Schüler. Spannender in dem Sinne, dass es über den normalen Lernstoff hinausgeht und Schüler motivierter sind, sich auch außerhalb des Unterrichts mit einem Thema zu beschäftigen“, erklärt Professor Ton de Jong von der Universität Twente und Projektkoordinator von Go-Lab (Foto). „Wir denken, dass unsere Labor-Projekte die Schüler stärker begeistern, als es der klassische Unterricht vermag.“ 

Mehr als 500 Unterrichtsideen umfasst das Portal inzwischen. Da werden zum Beispiel Windparks simuliert, Klima-Lernprogramme genutzt oder Roboter programmiert. Rund 260 Lehrer aus Deutschland haben sich bei Go-Lab registriert. Europaweit sind es rund 9.300, weltweit mehr als 22.000. 

Digitale Medien fördern Kommunikation
Doch inwieweit macht der Einsatz digitaler Medien im Unterricht Sinn? Was bewirkt er? Hat er einen nachhaltigen Nutzen? Das und mehr hat eine im Dezember 2017 erschienene Metastudie des Zentrums für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) an der Technischen Universität München in Zusammenarbeit mit der Kultusministerkonferenz untersucht. Die Autoren werteten 79 Einzelstudien seit dem Jahr 2000 aus und führten die Daten zusammen. Ihre Erkenntnis: Über alle untersuchten Fächer hinweg – Mathematik, Physik, Biologie und Chemie – ist der Einsatz digitaler Unterrichtsmedien ein Gewinn für Schüler. Im direkten Vergleich mit traditionell unterrichteten Klassen hätten Teilnehmer aus Klassen, in denen digitalen Unterrichtsmedien zum Einsatz kamen, durchweg bessere Ergebnisse erzielt.

Tenor ist aber auch, dass digitale Medien allein kein Allheilmittel darstellen, um die Unterrichtsqualität zu verbessern. Vielmehr würde sich der größtmögliche Nutzen erst dann entfalten, „wenn sie ergänzend zu traditionellen Unterrichtsmaterialien verwendet werden und digitale Lernumgebungen den klassischen Unterricht nicht vollständig ersetzen“, so die Autoren der Studie. 

Ein wichtiger Nebeneffekt ist laut der Experten die verbesserte Kommunikation unter den Lernenden. Grundsätzlich sei der Einsatz digitaler Medien wirksamer, wenn Schüler sie nicht einzeln, sondern zu mehreren  verwenden. Darüber hinaus fördere dies den Austausch, wie eine Lehrkraft aus der Studie bestätigt: „Im Computerraum kommen Gespräche über Mathematik dadurch in Gang, dass immer mindestens zwei Schülerinnen und Schüler am Rechner sitzen. Bei Fehlern debattieren sie darüber, was falsch gelaufen ist, auch wenn sie sonst nie über Mathematik reden würden.“

Neues Stiftungsprojekt
Die Erkenntnisse der Metastudie fließen in ein neues Vorhaben der Telekom- Stiftung ein. Mit insgesamt 1,6 Millionen Euro fördert die Stiftung die „Zukunft des MINT-Lernens“, einen Verbund aus fünf deutschen Hochschulen. Diese „Denkfabrik“ nimmt ab Herbst 2018 ihre Arbeit auf. Zunächst analysieren die Hochschulen den tatsächlichen Bedarf von digitalen Medien in MINT-Fächern, später entwickeln sie neue Unterrichtskonzepte, die in die Aus- und Fortbildung von MINT-Lehrkräften einfließen. Stiftungsgeschäftsführer Dr. Ekkehard Winter ist von der Herangehensweise überzeugt: „Eine gewisse Unschärfe zum Projektstart ist sinnvoll, weil die Digitalisierung so massiv voranschreitet. Wir wissen heute ja noch gar nicht, was in ein oder zwei Jahren die Herausforderungen von Schule sein werden.“

 

Autor: Klaus Rathje / Fotos: DmiT/Sutterstock, privat