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Illustration einer Mutter mit zwei Kindern im Homeschooling

„Die Kinder sollten nicht von Mutti unterrichtet werden müssen“

Eine Alleinerziehende schildert, mit welchen Schwierigkeiten sie im Corona-Lockdown zu kämpfen hat.

Daniela Wichmann arbeitet als Postbotin in Berlin und hat zwei Töchter (10 und 12 Jahre). Als Alleinerziehende trafen und treffen sie die Schulschließungen besonders hart.
 

Frau Wichmann, wie haben Sie die Phase des Homeschoolings im Frühjahr erlebt?

Daniela Wichmann: Das war eine schwierige Zeit. Die Situation stellte mich vor eine große Herausforderung, denn es war ja deutlich gesagt worden, dass man die Großeltern nicht zur Betreuung einspannen sollte. Da mein Beruf systemrelevant ist, hätte ich meine jüngere Tochter in die Notbetreuung der Grundschule geben können. Die ältere war damals auch noch auf der Grundschule, aber schon in der 6. Klasse. Darum gab es diese Möglichkeit für sie nicht. Ich habe dann beschlossen, beide Kinder zu Hause zu lassen.

Und wie ging es dann weiter?

Wichmann: Ich habe zunächst mit meinem Chef gesprochen und konnte meine Arbeitszeit auf 8 bis 15 Uhr festlegen. Meine Kinder waren in dieser Zeit alleine zu Hause und haben ihre Aufgaben gemacht. Dabei hat ihnen zeitweise ein älteres Nachbarsmädchen geholfen.

Wie kamen die Kinder und Sie als Familie mit den Aufgaben klar?

Wichmann: Bei meiner älteren Tochter war es einfacher. Sie konnte sich über WhatsApp mit ihren Freundinnen austauschen, und ich hatte auch die Telefonnummer der Lehrerin. Bei der Kleinen war es schwierig. Die Kinder bekamen Aufgaben, und dann hieß es: „Und nun sieh zu ... !“ E-Mails hat der Klassenlehrer gar nicht oder nur selten beantwortet. Die fertiggestellten Aufgaben waren zu bestimmten Zeiten persönlich in der Schule abzugeben – und die lagen immer in meiner Arbeitszeit. Meine Töchter haben gemacht, was sie alleine machen konnten. Abends nach der Arbeit habe ich alles kontrolliert und mit ihnen besprochen. Und ich habe ihnen die Sachen erklärt, die sie nicht verstanden hatten oder nicht alleine machen konnten. Das war schon extrem anstrengend.

Wie war die Motivation Ihrer Töchter?

Wichmann: Am Anfang waren beide sehr motiviert. Sie hatten sich sogar einen Plan geschrieben und darin festgelegt, wann sie Schulsachen und wann sie Pausen machen wollten. Mit der Zeit ließ die Motivation aber nach. Ich habe mir dann zwischendurch immer mal wieder kurzfristig frei genommen, damit ich mich kümmern konnte. Mein Arbeitgeber war da zum Glück kulant. Allerdings gingen dafür viele Überstunden und Urlaubstage drauf. Das war schade, ließ sich aber nicht anders bewerkstelligen.

Nun sind wir wieder in einer Phase des Homeschoolings. Ihre ältere Tochter ist inzwischen auf dem Gymnasium. Was hat sich dadurch geändert?

Wichmann: Das Gymnasium nutzt eine digitale Plattform. Dort finden die Kinder ihre Aufgaben und tauschen sich auch untereinander und mit den Lehrkräften aus. Das funktioniert gut. Bei meiner jüngeren Tochter hat die Klassenleitung gewechselt. Die Kommunikaton läuft jetzt besser.

Was wünschen Sie sich von den Schulen oder der Politik?

Wichmann: Ich würde mir wünschen, dass die Schulpflicht auch in solchen Krisenzeiten gilt. Dass die Kinder also auf jeden Fall zur Schule gehen und dort in kleinen Gruppen im Wechsel unterrichtet werden. In vielen Berufen ist Schichtdienst üblich. Warum nicht auch bei den Lehrkräften? Und wenn die Kinder schon zu Hause lernen müssen, dann sollten sie auch mit Geräten ausgestattet werden. Und auf denen sollten dann auch schon alle notwendigen Programme und Apps installiert sein. Und zwar so, dass die Kinder die Geräte nur aufklappen müssen und alleine loslegen können.

Was halten Sie von Eltern als Lernbegleitung?

Wichmann: Ich finde es wichtig, dass die Kinder den Stoff von ausgebildeten Lehrkräften erklärt bekommen. Und nicht von der Mutti, die nach der Arbeit total platt ist und auch einfach keine Fachfrau für diese Themen.

 

In der aktuellen Ausgabe unseres Bildungsmagazins sonar lesen Sie ein Interview mit drei weiteren Müttern und Vätern über ihre Rolle als Lernbegleiter ihrer Kinder.

 

Illustration: Natalia Varlamova/iStock.com