Jump to main content
Junge Geflüchtete bei der Projektarbeit an der Uni Köln

„Alle sind unfassbar motiviert!“

Das Projekt MINTegration an der Universität Köln macht jungen Migranten Lust auf MINT. Interview mit Victoria Hollmann vom Institut für Biologiedidaktik und vom Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache.

Viktoria Hollmann von der Universität KölnFrau Hollmann, Ihr Projekt MINTegration richtet sich an junge Menschen mit Migrationserfahrung. Wie funktioniert es?
Wir laden regelmäßig Schüler aus Vorbereitungsklassen zu Projekttagen zu uns an die Uni ein. Im Schülerlabor arbeiten sie dann unter der Leitung von Lehramtsstudierenden vier bis fünf Stunden lang an Themen aus dem MINT-Bereich. Sie haben sich zum Beispiel schon mit Beeren und mit Getreide und Kartoffeln näher beschäftigt. Zuletzt ging es um die Wasserreinigung. Das Ganze ist sehr praktisch angelegt. Beim Projekttag Beeren haben die Schüler zum Beispiel mit Labormaterialien wie Pipetten und Teststreifen gearbeitet, um den Vitamin-C-Gehalt der Früchte zu bestimmen. Dabei dürfen sich die Schüler gegenseitig in ihren Muttersprachen unterstützen. 



Wie klappt’s denn mit der Sprache?
Es geht darum, Jugendliche für naturwissenschaftliche Zusammenhänge zu begeistern. Wir schlagen deshalb einen Bogen zum Alltag der Schüler. Beeren kann man zum Beispiel auch zu leckeren Muffins verarbeiten. Wir haben am Projekttag also auch gebacken. Durch das gemeinsame Arbeiten lernen die Schüler nicht nur Fachliches, sondern sie können nebenbei auch ihre Sprache verbessern und schwierige Fachbegriffe lernen.



Dabei helfen auch digitale Medien ...
Genau. Wir setzen Tablets ein. Die Schüler können darauf Anweisungen lesen oder sich Videos anschauen, die ihnen zeigen, wie sie die Experimente durchführen. Außerdem können sie sich unbekannte Wörter direkt übersetzen lassen. Grundsätzlich sollen die Schüler ihre Ergebnisse aber auf Deutsch auf Arbeitsblättern festhalten. Die sind so ausgelegt, dass die Schüler sie allein bearbeiten können. Für Hilfestellungen stehen ihnen jederzeit Studierende zur Seite. Wir wollen Arbeitsmaterial für den MINT-Unterricht mit geflüchteten Kindern entwickeln. Das gibt es in diesem Bereich kaum. So verknüpfen wir Sprachförderung mit Naturwissenschaften und Technik.



Wie profitieren die Schüler langfristig von MINTegration?
Sprache ist eine Voraussetzung zur Kommunikation in der Gesellschaft und in den Schulfächern. Wir möchten die Schüler für Sprache und das Fach Biologie begeistern. Dass MINTegration wirkt, zeigt sich auf ganz unterschiedliche Weise. Zwei Beispiele: Ein Teilnehmer hat bei unserem Projekttag so begeistert gebacken, dass er danach ein Praktikum bei einem Bäcker begonnen hat. Ein anderes Mädchen hat so viel Interesse an MINT gezeigt, dass eine Lehrerin die Schule überzeugen konnte, sie zur Abiturlaufbahn zuzulassen. Ansonsten hätte sie nach der Vorbereitungsklasse die Schule verlassen. Insgesamt macht MINTegration den Studierenden und den Schülern sehr viel Spaß. Die Geflüchteten sind alle unfassbar motiviert.



Das gilt wahrscheinlich auch für die Lehramtsstudierenden ...
Viele der Studierenden stehen im Schülerlabor das erste Mal vor einer Vorbereitungsklasse. Da geht es dann oft erst einmal darum, als Lehrer wahrgenommen zu werden. Da braucht es meist auch ein bisschen Anlauf, um das nötige Durchsetzungsvermögen zu entwickeln. Gleichzeitig müssen die Studierenden den geflüchteten Schülern die Themen besonders gewissenhaft und geduldig erklären, gerade weil es oft an der Sprache hapert. Zu sehen, wie die Schüler hier Schritt für Schritt Fortschritte machen, ist am Ende die schönste Belohnung für ihren Einsatz!


Victoria Hollmann arbeitet am Institut für Biologiedidaktik und am Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache der Universität Köln. Gemeinsam mit Prof. Amitabh Banerji vom Institut für Chemiedidaktik ist sie für das Projekt MINTegration verantwortlich.

 

MINT-PROJEKTE MIT FLÜCHTLINGEN: DAS LÄUFT ANDERSWO

Sommeruni an der Hochschule Koblenz
MINT-Workshops wie Löten und Programmieren, Laborbesuche, Vorträge und Führungen: In Koblenz tauchen junge Frauen regelmäßig in die Welt von Naturwissenschaften, Informatik und Technik ein. Das soll sie auf ein mögliches Ingenieurstudium vorbereiten. Nebenbei gibt es Seminare zur deutschen Sprache und Kultur.


MINTogether am Gymnasium der Stadt Frechen
Zwei Physiklehrer haben einen „Basteltreff“ der besonderen Art ins Leben gerufen: Deutsche und ausländische Schülerinnen bauen gemeinsam – etwa Mini-Windkraftanlagen oder solarbetriebene Lautsprecher. Das ist gleichzeitig ein Training für Physik-Kenntnisse und eines für handwerkliche Fähigkeiten. Das Projekt wurde auch von der Deutsche Telekom Stiftung unterstützt.


MINT-Mentoring-Programm im Landkreis Ludwigsburg
Der Landkreis in Baden-Württemberg nutzt europäische Fördergelder, um Flüchtlinge auf den Berufsalltag vorzubereiten. Lehramtsstudierende geben Nachhilfe und unterstützen bei den Hausaufgaben. Ein Sozialpädagoge vermittelt dazu Lerntechniken. Außerdem nehmen die Flüchtlinge an berufsbezogenen Sprachkursen teil.
 

Autor: Thilo Kötters / Fotos: Universität Köln